SS-MASSAKER VON DISTOMO: DIE OPFERHILFE WÄRE SO EINFACH : Worte allein können schäbig sein
Manche Prozesse sind erfolgreich, auch wenn sie am Ende verloren gehen. Nämlich dann, wenn die Öffentlichkeit ein bisher verdrängtes Problem endlich wahrnimmt. So ist es auch mit den Schadenersatz-Klagen der Nachkommen von Opfern der SS-Massaker in Griechenland. Sie werden juristisch am Ende wohl scheitern, aber die Klagen sollten dazu führen, dass die Bundesregierung sich ihrer historischen Verantwortung endlich stellt.
Bislang wird das in Kriegen begangene Unrecht anschließend nicht durch millionenfache individuelle Schadenersatzklagen aufgearbeitet, sondern durch Verhandlungen der Staaten über Reparationen. Das hat seinen guten Grund. Wenn jeder Kriegsschaden eins zu eins ersetzt werden müsste, wäre dies oft eine schwere Hypothek für einen dauerhaften Frieden. Der Ausschluss von Individualklagen ist deshalb auch keine deutsche Erfindung, sondern gilt weltweit. Daran wird der Bundesgerichtshof, das zeichnet sich nach der gestrigen Verhandlung ab, wohl auch im Fall des Distomo-Massakers nichts ändern.
Sichtbar wurde dabei aber, dass die Bundesregierung bisher den Opfern dieses und vieler anderer Kriegsverbrechen keinen Pfennig bezahlt hat. Eine „Globalentschädigung“ in den 60er-Jahren bezog sich nur auf die Opfer spezifischer NS-Verfolgung wegen Rasse, Glauben oder Weltanschauung, aber gerade nicht auf die Toten der wahllosen Erschießungen bei Racheaktionen. Jahrzehntelang wurden die Betroffenen auf einen endgültigen Friedensvertrag vertröstet. Und als 1990 der Zwei-plus-vier-Vertrag geschlossen wurde, war von Reparationen nicht mehr die Rede. Die Frage habe sich durch die veränderten Verhältnisse erledigt, so die Bundesregierung. Das kann auf die Opfer nicht anders als schäbig wirken.
Dabei muss es rund 60 Jahre nach den schrecklichen Vorfällen wohl nicht mehr um vollen Schadenersatz gehen. Aber ein Härtefallfonds für in Armut lebende Nachkommen der Massaker-Opfer wäre denkbar. Auch eine großzügige Finanzierung von Gedenkstätten und Begegnungsprogrammen stünde Deutschland gut an. Es genügt nicht, wenn die Bundesregierung das NS-Unrecht in Griechenland nur wortreich beklagt. CHRISTIAN RATH