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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Adventliche Härmönie

FUSSBALL Die Hertha findet zu Taktik und Konzept zurück. Gegen die Borussia aus Dortmund zu gewinnen mag ja derzeit keine allzu schwere Übung sein – aber die Elf spielte am Samstag auch schön: schön effektiv

„Ich akzeptiere die Kritik. Aber ich bin auch selbstkritisch, und wir als Mannschaft hinterfragen uns auch immer“

HERTHA-TRAINER JOS LUHUKAY

Wer hätte gedacht, dass dieser Abend bei der Hertha noch so gänzlich harmonisch zu Ende geht. Sogar die zahlreich angereisten Fans der Verlierer feierten am Ende ihr Team – und in den Reihen der heimischen Hertha hatten sich sowieso alle lieb. Bei Trainer Jos Luhukay klang alles noch ein bisschen mehr nach Einträchtigkeit, sprach er doch bei der Pressekonferenz nach dem Spiel davon, wie es seinen Spielern gelang, auf dem Platz zu „härmönieren“ und wie jeder für den anderen da war. Wahre Nächstenliebe auf dem Rasen.

Dabei hatte der Nachmittag mit angesäuerten, nicht gerade friedvoll und froh gestimmten Hertha-Fans begonnen, die aufgrund der bislang enttäuschenden Saison fragten: „Luhukay: Wo ist das System, wie lautet das Konzept?“ Diese Fragen waren auf ein Banner gepinselt, das sie in die Kurve gehängt hatten.

An diesem Tag gab der Trainer, ganz wie sich das beim Fußball gehört, die Antwort zunächst auf dem Platz. Denn nicht nur das Ergebnis überzeugte – klar, ein 1:0 gegen Dortmund nimmt man gern mit –, sondern auch das Zustandekommen des Erfolgs vor gut 75.000 Zuschauern im Olympiastadion. So berechtigt die Frage der Fans nach den vergangenen Monaten der spielerischen Stagnation war, so sehr gingen gegen den BVB Konzept und Taktik auf. Das hieß auch: „Es war heute egal, wie wir gewinnen, es war wichtig, dass wir gewinnen“, wie Stürmer Roy Beerens es nach dem Spiel ausdrückte. Schön war’s nicht – aber schön effektiv.

Ausgetanzt und abgeschlossen

Vor allem in Hälfte eins praktizierte Hertha das hervorragend, was eigentlich Dortmund gut kann: Räume eng machen, verschieben, pressen. Dem Gegner auf den Füßen stehen, die Stürmer und Mittelfeldspieler doppeln. So ergaben sich kaum Torchancen auf beiden Seiten, nach etwas mehr als einer halben Stunde stand hüben wie drüben ein mickriger Torschuss zu Buche. Die Dortmunder fanden keine Wege durch die gut sortierten Hertha-Reihen – der Plan ging auf. So war es nicht unverdient, als Hertha nach Balleroberung im Mittelfeld und Vorarbeit von Per Skjelbred in Führung ging. Der Ex-Dortmunder Julian Schieber tanzte seinen einstigen Kollegen Sebastian Kehl aus und schloss überlegt ab (40.).

In Schulnoten ausgedrückt, bekäme Hertha als Kollektiv in der ersten Hälfte eine 2+, in der zweiten dann nur noch eine 4. „Ausreichend“ eben. Die Berliner fingen an zu mauern – verständlich, aber auch gefährlich. Luhukay richtete das Team mit den Einwechslungen von Hajime Hosogai, Johannes van den Bergh und dem wiedergenesenen Kapitän Fabian Lustenberger noch defensiver aus. Es war wohl auch eine richtige Entscheidung, denn vielleicht hätte Hertha das kräftezehrende Spiel 90 Minuten lang nicht durchgehalten. Dortmund aber kam nun zu Chancen, meist nach Flanken, langen Bällen oder Ecken. BVB-Stürmer Ciro Immobile überreichte den Herthanern ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk, als er kurz vor Abpfiff freistehend weit neben’s Tor köpfte. Und um das, was Hertha nicht vom Gegner geschenkt bekam, kümmerte sich Torwart Thomas Kraft mit einigen guten Paraden. Am Ende war er der Garant für die drei Punkte.

Trainer Luhukay sagte nach dem Spiel zu den so exponiert gestellten Fragen der Fans: „Ich akzeptiere diese Kritik. Aber ich bin auch selbstkritisch, und wir als Mannschaft hinterfragen uns auch immer.“ Dann sprach er wieder von Harmonie und Respekt und wie wichtig es sei, dass zwischen Fans und Team ein solches Klima herrsche. Mit nun 17 Punkten und Rang 13 mag man als Hertha-Fan nun zumindest etwas gelassener auf die Tabelle blicken. „Auch in den restlichen beiden Spielen müssen wir die Punkte mitnehmen“, sagte Außenstürmer Beerens. Wenn am Mittwoch in Frankfurt und am Sonntag gegen Hoffenheim noch ein paar vorweihnachtliche Zähler abspringen sollten, dann könnte die Geschichte mit der herthanischen Harmonie tatsächlich mehr als ein kurzes Intermezzo sein.