SPD-Kandidaten : Kabale und Rituale
Politik ist längst zum Ritual erstarrt: Wichtige Leute setzen wichtige Mienen auf und reden Nichtigkeiten. Schuld daran haben nicht nur die Akteure selbst, sondern auch die Medien, die jedes Geblubbere als Neuigkeit präsentieren, und das Volk, das von seiner regierenden Klasse ein bestimmtes Verhalten erwartet. Wehe dem Politiker, der das Ritual verlässt und Halbgedachtes äußert!
KOMMENTARVON ESTHER GEIßLINGER
Das mag man bedauern, ändern lässt es sich nicht. Oder? Das einfache SPD-Mitglied Stephan Frey hat es versucht, indem er für den Posten des Landesparteivorsitzenden antrat. Mehr parteiinterne Diskussion und Offenheit versprach er sich davon. Chancen hatte der selbst ernannte „Till Eulenspiegel“ von Anfang an keine. Dass er seine Kandidatur nun zurückzog, ist nicht bedauerlich. Denn seine Ziele wurden nie ganz deutlich, seine Argumentation blieb unschlüssig.
Dennoch gehören solche bunten Vögel in die Politik: Nur wer querdenkt, kann auf neue Lösungen kommen. Nur wenn Parteien Andersdenkende zulassen, nur wenn der Streit um Inhalte öffentlich ausgetragen wird, hat die Demokratie eine Chance: Ein Grund für den Mitgliederschwund der Volksparteien ist, dass Neulinge an den innerparteilichen starren Strukturen verzweifeln. Aber je mehr Leute mitreden, desto eher trauen sich die ganz oben vielleicht auch, einen Gedanken außerhalb gewohnter Denkmuster zu wagen.