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Archiv-Artikel

SPANIEN: NICHT NUR DIE ARMEE KRITISIERT ZAPATEROS AUTONOMIEPOLITIK Geburtsfehler der Demokratie

Die Debatte um das katalanische Autonomiestatut wird immer heftiger. Nun erhob ausgerechnet die spanische Armee – mit ihrer wenig glorreichen Vergangenheit aus Bürgerkrieg und Diktatur – ihre Stimme und verwies auf ihre Rolle als Garant der Einheit Spaniens. So steht es in der Verfassung. Aber es ist auch gerade diese Verfassung, die politische, zivile Gewalt über die Armee stellt. Darauf verwies ungewöhnlich scharf selbst die konservative Tageszeitung ABC.

Mit der Bestrafung des vorlauten Generalleutnants ist das Thema nicht vom Tisch. Denn der Offizier sprach nur aus, was viele in der Armee, aber auch in der Zivilgesellschaft denken: Spaniens Demokratie wird dieser Tage von einem Geburtsfehler eingeholt. In der Verfassung von 1978 wurde das Land dezentralisiert. Dennoch entstand kein föderaler Staat, wie ihn die Linke forderte, sondern ein Staat der Autonomien. Diejenigen Bürger haben mehr Rechte, die wie Basken, Galicier oder eben die Katalanen eine eigene Sprache sprechen und über eine eigene Kultur verfügen.

„Kaffee für alle gibt es nicht“, verteidigen die Nationalisten bis heute dieses System, das zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst oder zu unterschiedlichen sozialen Rechten der Bevölkerung führt. Die Katalanen wollen ihre Kompetenzen jetzt noch weiter ausbauen. Die Sozialisten, die sowohl in Madrid als auch in Barcelona mit den radikalen katalanischen Nationalisten regieren, unterstützen diese Bestrebung.

Doch mehr Rechte für wenige bedeute automatisch weniger Rechte für viele, toben die Kritiker, allen voran die größte Oppositionspartei, die konservative Partido Popular, die bei den Verhandlungen um das Statut völlig außen vorbleibt. So mancher, auch aus den Reihen der Sozialisten, warnt Partei- und Regierungschef José Luis Zapatero immer wieder davor, das neue Statut um jeden Preis durchzupauken. Unter ihnen befindet sich auch Verteidigungsminister José Bono, der jetzt zusehen muss, wie seine Generäle sich dort einmischen, wo sie laut Demokratie zum Schweigen angehalten sind. REINER WANDLER