SPANIEN LEIDET UNTER EINEM GEBURTSFEHLER SEINER VERFASSUNG : Gleiche Rechte für alle
Nach dem Nein zu Verhandlungen mit ETA, dem Schutz der Familie und der Verteidigung des Religionsunterrichts an den Schulen ging die konservative Opposition der Partido Popular (PP) nun für die Verfassung auf die Straße. Ein seltsames Anliegen in einer Demokratie wie der spanischen, sollte man denken. Doch die Konservativen meinen: Die Politik der sozialistischen Regierung gefährdet den Zusammenhalt Spaniens. Als Beleg dient das neue Autonomiestatut für Katalonien. Dieses bezeichnet Katalonien als „Nation“, die sich weitgehend selbst regieren soll. Barcelona und Madrid sollen rein „bilaterale“ Beziehungen pflegen.
„Spanien ist keine Nation der Nationen, sondern eine Nation der Personen und Individuen“, hält die PP dagegen. Das bringt ihr außerhalb der historischen Autonomien wie dem Baskenland, Galizien oder eben Katalonien, die über eine eigene Sprache verfügen, in großen Teilen der Bevölkerung durchaus Sympathie ein.
Auch wenn das neue Autonomiestatut für Katalonien viel weiter geht als das bisherige, sind die Sonderrechte an sich nichts Neues. Spanien setzt sich aus autonomen Regionen zusammen. Doch anders als in Deutschland oder der Schweiz haben nicht alle Regionen gleiche Rechte und Kompetenzen – die historischen Autonomien sind besser gestellt. Das führt in vielen Bereichen zu einer Ungleichbehandlung der Bürger je nach Wohnort. Weitere Sonderrechte, so fürchten die Gegner des neuen Statuts, würden diese Entwicklung verschärfen. Außerdem sei die Definition Kataloniens als „Nation“ der erste Schritt zur endgültigen Loslösung von Spanien.
Die Proteste rühren an einem alten Problem. „Kaffee für alle gibt es nicht“, machten einst bei der Verfassungsdebatte die Nationalisten erfolgreich Stimmung gegen einen wirklichen egalitären Föderalismus. Doch genau dies wäre die gerechte Lösung für Spanien. Aber weder die mit der Unterstützung der Nationalisten regierenden PSOE noch die immer noch zu stark dem Zentralismus verhaftete PP trauen sich an dieses Thema ernsthaft heran. REINER WANDLER