SONNE AUF DEM TEMPELHOFER FELD, FRANZÖSISCHER POP IM CLUB39 UND CANNABIS GEGEN ZAHNSCHMERZEN : Guter Dinge durch den Tag hüpfen
DETLEF KUHLBRODT
Das Wochenende beginnt mit einem 2 Gigabyte großen Software-Update. Schon eine halbe Stunde lang sagt der Bildschirm, dass die neue Ausgabe des Betriebssystems in weniger als einer Minute installiert sein wird. Ich bin etwas in Panik, mutmaße einen Angriff der Hacker vom IS und lese auf dem Balkon in dem Roman „Hiobertus“ von Jürgen Huber. Der Autor ist bei den Grünen und Bürgermeister von Regensburg. Nach 130 Seiten fängt das Buch an, mir zu gefallen. „Jawohl, ein Schriftsteller. Huber kann sich mit Fug und Recht so nennen“, schreibt die Mittelbayerische Zeitung.
Dann geh ich raus. A. hatte mich angerufen; er sei mit seinem Sohn auf dem Tempelhofer Feld. Ich kann ihn nicht erreichen, weil sein Akku alle war, bin aber guten Mutes, sie zu finden.
Ich bin total geflasht von der Sonne, von der Wärme, von den weiten Blicken Richtung Flughafengebäude und auch ein bisschen verwirrt wegen dem ganzen Licht, der plötzlichen Wärme und dem ganzen Vogelgezwitscher. Es ist wie an einem ersten Urlaubstag. So ganz glaubt man dem plötzlichen Frieden noch nicht.
Eine Stunde lang fahre ich kreuz und quer über das Feld und halte Ausschau nach einem Vater, der mit seinem Sohn Fußball spielt. Da und dort machen Leute Musik oder auch Kunststücke, wie Auf-einem-Arm-Stehen zum Beispiel.
Warten auf das Update
Ich sehe viele Väter, die mit ihren Söhnen Fußball spielen und auch einen, der mit seiner Tochter hier übt. Am Rande fahren Gruppen mit diesen bizarren Segways durch die Gegend. Leider finde ich meine Freunde nicht und fahre wieder heim.
Das Update ist immer noch nicht fertig installiert; zum Glück ist der Apfel-Spezialist zu Hause. Ich bringe ihm den Laptop und geh dann in den Club39 in der Manteuffelstraße. M. steht hinter dem Tresen, weil K., die sonst dort steht, gerade auf taz-Leserreise im Iran ist. M. ist ein ziemlich guter Barkeeper. Die Stimmung ist super. An diesem Abend spielt DJ Lehmann nur französische Popmusik. Teils ganz ausgefallene und tolle Sachen. Viele der Gäste sind, glaube ich, in den 80er Jahren nach Berlin gekommen. Einige kenn ich schon ziemlich lange. Maria Zastrow hatte in den 80er Jahren am Tresen vom „Risiko“ gestanden. Ich frage sie nicht, wie sie den Oskar-Roehler-Film „Tod den Hippies – Es lebe der Punk“ gefunden hat, der ja teils im nachgebauten Risiko spielt, auch weil ich ihn selbst noch nicht gesehen habe.
An den Wänden hängen viele klein- und mittelformatige Katzenbilder. Die cartoonhaften Bilder sind sehr gut. Und auch nicht so teuer. Der Künstler heißt Coconut, unterschreibt mit ©oco und hatte zwischen 81 und 94 in Berlin gewohnt. Seitdem ist er wieder in Tours, kommt aber immer wieder gern in die Stadt. Wir reden, rauchen, trinken und hören Musik. DJ Lehmann wächst über sich hinaus. „Ce n’est pas bon, ce n’est pas bon“ singen Amadou & Mariam. Das setzt sich im Kopf fest, und irgendwie fahr ich dann nach Haus.
Der Samstag ist auch wunderbar. Nur die Zahnschmerzen stören und schicken mich früher als geplant in den Tag, weil das Zahnfleisch komischerweise nicht mehr wehtut, wenn man aufsteht. Später geh ich zu M. Mein Laptop hatte einen schweren Festplattenfehler, ist aber jetzt wieder in Ordnung.
Guter Dinge hüpfe ich durch den Tag; besuche Hippiefreunde, die mir demonstrieren, dass Cannabis tatsächlich schmerzabweisend ist, gehe in der Sonne spazieren und spiele nachts noch Billard in Treptow. Der Billardsalon in der Bouchéstraße hat etwas leicht Vorstädtisches. Als ich bezahlen will, fällt mir ein, dass ich meine Pin vergessen habe. Die Freunde helfen aus.
Am nächsten Vormittag gehe ich ohne große Hoffnung zur Post. Auf dem Weg fällt mir eine mögliche Zahlenkombination ein, die sich als richtig erweist. Noch viele andere schöne Dinge passieren an diesem Wochenende. Zum Glück ist jetzt Frühling.