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Archiv-Artikel

SONJA VOGEL LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Der Hipster, unser liebster Feind

Seit Monaten geistert der Hipster als Sozialtypus durch die Feuilletons. Vom „Terror des Authentischen“ ist die Rede, von Hipstern als „Opfer ihres schwachen Egos“. Mittlerweile scheint die Schmährede beinahe so hip wie die Figur selbst. Er gilt als Träger der Übel einer postmodernen Welt: Unoriginalität, einen hyperaffirmativen Habitus, die Pop-Retroschleife, Konsumismus, die Entwertung von allem und jedem durch das ironische Augenzwinkern. Der Hipster, Phantom einer westlichen Welt in der Krise, allgegenwärtig – doch niemand möchte einer sein.

„Kein Wunder, dass der Hipster heute der vorbildliche Angestellte ist“, schreiben Carl Cederström und Peter Fleming in „Dead Man Working. Die Schöne neue Welt der toten Arbeit“ (Edition Tiamat, 2013). Die Autoren erklären, wie uns die Totalität der Arbeitsgesellschaft bis in den Traum verfolgt. Ein Entkommen ist unmöglich, zumal der Chef 2.0 nicht zur Arbeit zwingt, weil Eigeninitiative gefragt ist.

Statt zu rebellieren, hat sich niemand so sehr wie der Hipster mit der Überblendung von Arbeit und Freizeit arrangiert, immer online, immer bei der Arbeit, im Café, in der U-Bahn, im Bett. Doch er bleibt an der Oberfläche, ohne jemals abzutauchen. Es ist diese als Ironie verkaufte Absage an die Originalität, die die Hipster-Hasser auf die Palme bringt: Sie klammern sich an eine Zeit, in der der Zugang zur Subkultur exklusiv war.

Wen interessiert da, dass das Hipstertum in den Vierzigern ein Phänomen der schwarzen amerikanischen Szene war, die ihre Codes aus der Isolation heraus entwickelte? Heute sind Hipster jene, die es sich leisten können, weiße Mittelschichtsjungs, geschmückt mit den Insignien der Unterschicht: Pornoschnauzer, Jogginghose, Feinrippunterhemd. Vielleicht akzeptieren sie, was die Aufgebrachten für sich selbst befürchten: ihr Verschwinden in prekären Verhältnissen, die die Menschen einander angleichen. Dann wäre das Ressentiment gegen den Hipster der Phantomschmerz ihrer untergegangenen Welt.

Sonja Vogel ist ständige Mitarbeiterin der Kulturredaktion