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Archiv-Artikel

SIMONE SCHLINDWEIN ÜBER NEBENSACHEN AUS KAMPALAÄUSSERST LUKRATIVE GESCHÄFTE MIT GOLD AUS DEM KONGO Geldregen im Innenhof

Der Gesichtsausdruck meines Nachbarn ist wie ein Börsenbarometer. Daran lässt sich jeden Morgen ablesen, wie es um den Goldpreis in Zentralafrika bestellt ist. Er stammt aus dem Kamerun und macht Geschäfte mit Gold aus dem Kongo. Nicht deklarierte Geschäfte, versteht sich.

Regelmäßig verschwindet er für ein paar Tage. Wenn er zurückkommt, erwischt man ihn oft am frühen Nachmittag mit einer Whiskyflasche auf der Veranda, in seinem Liegestuhl sitzend, zufrieden lächelnd.

In der Nachbarschaft ist er bekannt wie ein bunter Hund. Gerüchte kursieren, er bunkere Säcke voller Dollarnoten. Als er neulich aus Burundi zurückkam, trug er ein knallblaues seidenes Gewand mit goldenem Faden bestickt. Da flüsterte eine Nachbarin: „Jetzt hat er sich sogar Gold auf das Hemd genäht.“

Seitdem die kongolesische Regierung den Export von Mineralien verboten hat, läuft das illegale Goldgeschäft besonders gut, so scheint es. Jetzt trägt er Maßanzüge aus Thailand und eine Uhr aus der Schweiz. Zur Feier des jüngsten Deals schmeißt er eine Grillparty im Innenhof unserer Reihenhaussiedlung. Am Tag davor gackerten Hühner durch den Hof. Eine Ziege war am Gerüst des Wassertanks angebunden. Als ich am Party-Morgen die Vorhänge aufreiße, baumelt die Ziege gehäutet am Wassertank.

Mein Nachbar begießt die Schlachtung bereits mit dem ersten Bier. Dann trudeln Freunde ein: in dicken Geländewagen, bestückt mit bunten Blinklichtern an der Stoßstange. Plötzlich habe ich die ganze Goldhändlerszene im Hof. Die Frauen mit gebleichter Gesichtshaut und in bunten, ausladenden Kleidern schwatzen ruhig vor sich hin – während sich die Männer, mit Goldketten und Golduhren geschmückt, wild diskutierend die ersten Whiskys ausschenken.

Im Laufe des Tages verwandelt sich unser Innenhof in Kleinkongo: Zuerst wurde die Hymne gesungen, eine Schweigeminute für die Millionen Toten abgehalten und gebetet. Allmählich steigert sich das Gebet in eine politische Ansprache: gegen die Korruption der Regierung. Dann wird weiter Whisky ausgeschenkt. Ein großer Mann stellt sich mit dem Spitznamen „Dollar“ vor. Er stichelt einen Mann an: „Du schuldest mir Geld, aber du kannst wohl nicht bezahlen“. – „Was sagst du? Ich habe so viel, ich kann jedem Gast hier auch deine Schulden zurückbezahlen“, grölt der Beschuldigte und packt seinen Geldbeutel aus. Es regnet Geldscheine in unseren Innenhof.