SHEILA MYSOREKAR POLITIK VON UNTEN : Reibach in der Reichsstadt
Grenzkontrollen innerhalb Europas? Ja gerne – aber dann doch bitte gleich in den Grenzen von 1789
Wisst ihr noch, wie reisen früher war? Zur belgischen Grenze fahren, Pass vorzeigen, angeschnauzt werden, deutsche Mark in belgische Francs umtauschen, dann zur französischen Grenze, Pass vorzeigen, angeschnauzt werden, alles in französische Francs umtauschen, dann zur spanischen Grenze, Pass vorzeigen, angeschnauzt werden, alles in Peseten umtauschen. So war es vor dem Schengen-Abkommen, bevor man in Europa Freizügigkeit genoss. Aber unser Innenminister Hans-Peter Friedrich fand die Warterei an den Grenzen damals schön – so schön, dass er das jetzt wieder einführen möchte, zumindest an der Grenze zu Frankreich, Grenzkontrollen „zur Abwehr von Gefahren für öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Aktueller Anlass: Damit die freiheitsliebenden Nordafrikaner, denen wir herzlich zu ihren freiheitlichen Revolutionen gratulieren, nicht etwa denken, mit Freiheit sei auch Reisefreiheit durch Europa gemeint. Deswegen also nationale Grenzkontrollen.
Ja gerne – aber warum nur an den Grenzen von 1957? Ich habe nämlich eine Superidee, wie man den klammen deutschen Städten zu mehr Steuereinnahmen verhelfen kann: Einfach wieder die ganz alten Grenzen hochziehen, dann kann man nämlich überall Zoll fordern. Nehmen wir mal die Strecke zwischen Köln und Frankfurt. In Köln steigt man in den Zug und zack ist man in Frankfurt. Kein Visum, kein Zoll. Also auch keine Einnahmen für die Kommunen auf dieser Strecke.
Hätten wir noch die Grenzen von, sagen wir mal, 1789, sähe es ganz anders aus. Von der Reichsstadt Köln kämen wir ins umliegende Fürstentum. Dann über die Grenze ins Herzogtum Berg, dann in die Grafschaft Sayn-Hachenburg, in die Grafschaft Wied-Runkel sowie Neuwied, danach ginge es ins Kurfürstentum Trier, über die Grenze zu Nassau, dann in die Niedergrafschaft zu Hessen-Kassel, ins Fürstentum Nassau-Usingen, von da ins Kurfürstentum Mainz. Und dann erst ist man in der Reichsstadt Frankfurt. Das heißt, elf Grenzen auf der direkten Stecke Köln–Frankfurt, die heute der ICE in gut einer Stunde fährt. Elf Möglichkeiten, Zoll zu kassieren! Elfmal Visumgebühren! Elfmal Geld ins Säckel der Stadt! Innenminister Friedrich wäre glücklich: So viele schöne Stempel in seinem Pass!
Und wenn wir schon mal dabei sind, könnte man eigentlich auch den römischen Limes wieder aufbauen, um nordafrikanische Reisende abzuhalten. Mit Mauern kennen wir Deutsche uns ja schließlich aus.
■ Die Autorin ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Foto: F. Bagdu