piwik no script img

Archiv-Artikel

SCHWEIZER BUCHMARKT Drei Bestseller reichen nicht mehr

Diplomat Guldimann befürwortet eine bessere EU-Integration der Schweiz

Während sich das Feuilleton gerade darüber erregt, wie das „Literarische Quartett“ im Fernsehen seine Wiederauferstehung feiern will – in den Hauptrollen künftig Maxim Biller (Schriftsteller/Misanthrop), Volker Weidermann (Kritiker/Schwärmer), Christine Westermann (Moderatorin/Populistin) –, lud der Schweizer Botschafter in Deutschland, Tim Guldimann, die Verlage seines Landes zu einer Medienpräsentation in die Residenz nach Berlin.

Es war eine der letzten Amtshandlungen Guldimanns (Jahrgang 1950), der sich zum Wochenende in den Ruhestand verabschiedet. Als Auslandsschweizer will er aber auf der Liste der Zürcher Sozialdemokraten für den Nationalrat kandidieren. Der Diplomat befürwortet eine bessere EU-Integration der Schweiz. Er bezog dafür von der Rechten seines Landes verlässlich Prügel. „Guldimann steht für eine Diplomatie, die nicht mehr zur Schweiz steht“, so die Weltwoche-Geschichte 2014. Titel: „Diplomat des Ausverkaufs“.

Ausverkauf? Unter der Desintegration in die Ökonomie der Europäischen Union leidet gerade ein für den EU-Markt produzierendes Gewerbe, stellvertretend die schweizerische Buchbranche. Der Zürcher Diogenes Verlag kann aktuell mit drei (!) Neuerscheinungen (Donna Leon, Martin Walker, Martin Suter) in den Top-Five-Platzierungen der Bestsellerlisten aufwarten. Doch die separatistisch-nationalistische Währungspolitik verhagelt die Bilanzen. Seit der Frankenfreigabe im Januar schwinden die im Euroraum getätigten Umsätze der Schweizer Verlage dahin. Lag der Kurs des Franken zum Euro im Januar noch bei 1,20, ist er jetzt bei eins zu eins angelangt. Der Finanznationalismus ist verheerend für den Tourismus und für alle, die mit Standort Schweiz Güter für den Euroraum produzieren.

In der Schweizer Residenz traf man sehr erfolgreiche, aber auch weniger bekannte Verleger. Ob die Verlage Nimbus, Dörlemann, Baobab, Rotpunkt, Nagel & Kimche oder Limmat – die Bibliophilen kämpften immer schon ums Überleben. ANDREAS FANIZADEH