Rückblick: Castor-Festspiele 2005 : Fußball statt Atommüll
Letztlich ist es für die Politik nur noch eine Kostenfrage: Niedersachsen will auf den nächsten Castor-Transport verzichten. Im WM-Jahr 2006 gebe es für die Polizei Überstunden genug
Zuerst schien aus Polizeisicht alles wie am Schnürchen zu laufen. Nach zwei Tagen fast störungsfreiem Castor-Transport mussten die Beamten am Montagabend keine zehn Kilometer vor dem Ziel dann doch zu Flex und Schneidbrenner greifen. Kurz vor dem Zwischenlager in Gorleben hatten sich fast zwei Dutzend Castor-Gegner an Traktoren, zwei Leichenwagen, Beton gekettet. Das und weitere Ankettaktionen brachte elf Stunden Zwangspause für die zwölf Behälter mit hochradioaktivem Müll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague.
Der Protest habe „quantitativ leicht nachgelassen, in der Aggression aber zugenommen“, sagte Einsatzleiter Friedrich Niehörster später. Selbstredend war Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) trotz allem „froh, dass es gelungen ist, durch eine exzellente polizeiliche Arbeit dafür zu sorgen, dass der Transport in einer sehr guten Zeit ins Zwischenlager gekommen ist.“
Das allein reicht Schünemann nicht. Seit Jahren versuchen er und seine Vorgänger nämlich, die Kosten für den Einsatz auf die anderen Bundesländer abzuwälzen. Wie im vergangenen Jahr dürfte der Einsatz der insgesamt fast 16.000 Beamten und Länder- und Bundespolizeien auch beim gerade zu Ende gegangenen Transport etwa 20 Millionen Euro kosten. Allein die 1,3 Millionen Überstunden schlugen beim vergangenen Castor-Transport mit etwa drei Millionen Euro zu Buche.
Doch im kommenden Jahr findet auch noch die Fußball-WM statt. Um die Mehrarbeit für die Gesetzeshüter in Grenzen zu halten, solle man deshalb 2006 einfach auf den Castor-Transport verzichten und dafür ab dem Jahr 2007 einfach 18 statt wie bisher 12 Castoren in Richtung Wendland rollen lassen. Ab dem Jahr 2008 waren ohnehin Züge mit 18 Behältern geplant.
„Die Weltmeisterschaft ist eine ganz hohe Belastung für die Polizei“, sagte Schünemann gestern. „Wenn wir wenige Wochen später wieder einen Castor-Transport zu bewältigen haben, dann bedeutet das, dass wir an die Grenzen unserer Kapazität kommen können– nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit.“
In den vergangenen Tagen war die Polizei ohnehin bereits „an Grenzen geraten“. Am Wochenende waren Fußballspiele, ein Skinhead-Konzert und in Hannover der Zapfenstreich für Gerhard Schröder zu bewachen.
Der Vorschlag, den Castor-Zug zu verlängern, ist nicht neu. Seit gestern ist aber Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ganz neu im Amt. Er hat bei der Entscheidung neben Bundeskanzleramt und den französischen Vertragspartnern ein gehöriges Wort beim Castor-Zwischenlagern mitzureden. Und: Bereits in seiner Zeit als Niedersachsens Ministerpräsident hatte sich Gabriel für eine Kostensenkung der Transporte eingesetzt.
Bei den Atomkraftgegnern stieß diese Argumentation auf wenig Resonanz. „Die Begründung mit der WM finde ich etwas dünn“, meinte der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Francis Althoff. „Da will ich schon politisch ein bisschen mehr hören.“
Kai Schöneberg
SEITEN 8, 12