Reiten in der Sierra Nevada: Mit Valentino durch die Berge
Manchmal sehr steil und nur fußbreit sind die Pfade in den Alpujarras. Dallas Love ist hier zu Haus. Sie führt Reiter und Reiterinnen sicher über die Berge und durch die Canyons.
Endlich rennen. Valentino holt mit langen Beinen aus, will vorbei an Longo und Monty, vorbei rauschen das Schilf am Ufer, die Zweige der Weiden. Die drei Andalusier-Wallache galoppieren das sich windende Flussbett bergan, Valentino rennt um die Kurve, den Hals gereckt, fällt in einen Trab, als das erste Haus auftaucht und Hunde die Reiter vom Ufer verbellen. Nach drei Tagen auf den fußbreiten Pfaden der Alpujarras sind Valentino und die anderen Pferde wild darauf, zu rennen. Die drei Reiterinnen auch. Glücklich im Galopp, sind sie kurz vor dem Etappenziel des Tages, einem aus maurischer Zeit stammenden Landgut in den Contraviesa-Bergen zwischen Sierra Nevada und Mittelmeer.
"Meine Pferde sollen Pferde sein, so oft, wie sie wollen", sagt Dallas Love, Herrin über 22 Andalusier- und Araberpferde und Leiterin des 6-Tage-Trecks über die Berge und durch die Canyons der Alpujarras. "Sie brauchen ihren Spaß nach der guten Arbeit", sagt Dallas, die mit Schimmel Longo nicht flüstert, sondern spricht.
Seit 1988 führt sie Reiter aus aller Welt durch die Berge am Südhang der 3.500 Meter hohen Sierra Nevada und am Mittelmeer in der Provinz Granada. Da sie Andalusien schon als 14-Jährige in zehnstündigen Tagesritten mit Packpferd, Zelt und Kochgeschirr erkundet hatte, ritt sie auch mit ihren ersten Kunden so durch Spaniens Südwesten.
"Das haben nur ganz erfahrene Reiter oder Leute von Farmen ausgehalten", sagt Dallas Love. Jetzt schlafen die Reiter in Hotels in den Dörfern der Alpujarras, das Gepäck wird mit dem Auto transportiert, und das gebratene Huhn mit Avocadosalat hat Dallas in der Satteltasche für ein Picknick ohne Lagerfeuer.
Die meisten von Dallas Klienten kommen aus England, Irland, Australien und aus den USA. Das mag daran liegen, dass Reitsport und Pferdetrekking in den angelsächsischen Ländern eine große Tradition hat. Vielleicht aber auch daran, dass zumindest Engländer Andalusien in gewisser Weise als zum Commonwealth gehörend betrachten. Schließlich haben Engländer im 18. Jahrhundert einen lokalen Weißwein in Sherry verwandelt, und hundert Jahre später hat Admiral Nelson vor dem Cabo de Tráfalgar bei Cádiz Spaniens Flotte besiegt.
Dallas Love bietet je nach Jahreszeit zwei unterschiedliche einwöchige Pferdetrecks an. Im Frühjahr und Herbst geht es von den hohen Alpujarras in das Contraviesa-Gebirge zwischen Mittelmeer und Sierra Nevada, in dem sich Natur und Kulturlandschaft harmonisch abwechseln. In den sehr heißen und trockenen Sommermonaten reitet Dallas Love mit Gruppen durch die Sierra Nevada. Außerdem bietet sie das ganze Jahr über 3-tägige Kurztrecks und Tagesritte von Bubión in den Nationalpark Sierra Nevada bis auf etwa 2.400 Meter Höhe an.
Da Reiten in der Natur immer beliebter wird, bietet Dallas Love erstmalig in diesem Sommer auch Reitkurse für Anfänger an, die eine englische Reitlehrerin gibt.
Wer nicht selbst mit dem Auto oder Bus - mehrmals täglich ab Granada - anreist, kann für die Wochentrecks den organisierten Busservice ab Flughafen Málaga nutzen (im Preis inbegriffen).
Weitere Informationen und Kontakt: Sierra Trails; Dallas Love Stables; 18412 Bubion, Granada, Spanien. Telefon mobil: +34-6 08 45 38 02; E-Mail: info@spain-horse-riding.com, Internet: www.spain-horse-riding.com.
Der britische Jetset belebte einst das Fischerdorf Marbella, englische Hippies entdeckten Torremolinos, bevor die britischen Arbeiter und Angestellten den Ort an der Costa del Sol eroberten. Und für die Briten aller Klassen ist seit den 1990er Jahren das Leben auf dem andalusischen Land so selbstverständlich wie Gin Tonic nach der Siesta.
Die Vorliebe gerade der britischen Reiter für die Pferdetrecks von Dallas Love hängt aber auch mit Dallas Love zusammen. Im Alter von acht Jahren zog sie mit ihren Eltern 1967 von einer englischen Farm nach Bubión in den Alpujarras. Nach der Dorfschule ging sie wie alle anderen Kinder des Dorfes auf ein Internat in Granada. In den Ferien erkundete sie die Wege zwischen den Dörfern der Alpujarras. Der Provinz entwachsen, lebte Dallas Love fünf Jahre in London, arbeitete als Immobilienmaklerin und kam 1987 zurück nach Bubión.
Ein paar Monate nur wollte Dallas bleiben, Familienangelegenheiten klären - zur "Familie" gehörten auch zwei Pferde. Aus den zwei wurden schnell fünf. Um die Tiere zu ernähren, bewässerte sie Felder auf den jahrhundertealten Terrassen zwischen Bubión und Capileira, mähte das Gras mit der Sense und brachte das Heu ein.
"Ich wollte die Pferde immer so natürlich wie möglich halten", sagt Dallas, die ihre Karriere in London vergaß und fortan das unternahm, was sie offensichtlich sehr gut kann: Pferde aus ganz Andalusien für das Gehen auf schmalen Bergpfaden trainieren.
"Wenn ich Reitern in England oder Südafrika erzähle, dass ich in Spanien dort reite, wo Dallas Love lebt, dann wissen sie, welche Gegend ich meine", sagt Catherine aus London, die den europäischen Winter gerade als Leiterin von Pferdetrekkingtouren im chilenischen Patagonien verbracht hat.
Als Familie Love nach Bubión zog, war die Region gerade 14 Jahre zuvor an das Stromnetz angeschlossen worden. Die Alpujarras waren eine der ärmsten Regionen in Spanien und noch lange nach der Transición, der Zeit des Wandels und des Beginns der Demokratie, lebten die Alpujarreños, wie der englische Schriftsteller und Hispanist Gerald Brenan das Leben in den 1920er Jahren dort erfahren hatte:
"Abgesehen von zwei oder drei der führenden Familien lag der Lebensstandard (Essen, Kleidung, Komfort) unter dem der ärmsten Land- oder Fabrikarbeiter in England", schreibt Brenan, der zwischen 1920 und 1934 sieben Jahre in dem Dorf Yegen in den östlichen Alpujarras gelebt und darüber das Buch "Südlich von Granada" geschrieben hat.
Die Alpujarras blieben nicht vom spanischen Bauboom der vergangenen Jahre verschont. Eine Generation Dorfbewohner hat in der Ära des Betons abgesahnt, wovon nun eine weitere Generation lebt. Seit zwei Jahren ist auch in den Alpujarras die Bauindustrie der Wirtschaftskrise erlegen. Betonskelette säumen die Dorfränder von Bubión, Capileira und Pitres, zwischen den Weiden und Pappeln im Taha-Tal ragen nutzlose Baukräne wie verdorrte Bäume hervor.
Aber trotz Zement und Korruption bieten die Alpujarras mehr Natur als die einen Tagesritt entfernte Costa del Sol. Noch rechtzeitig wurden die Alpujarras zum Naturschutzgebiet erklärt, die Sierra Nevada wurde ein Nationalpark unter dem Schutz der Unesco.
Wer in den Alpujarras reitet, entdeckt Andalusien von der wilden Seite. Kurz hinter Trevélez, einen Tagesritt von Dallas Ställen oberhalb Bubións entfernt, beginnt der Aufstieg über einen Serpentinenpfad in einen Bergnebelwald. Der Weg ist mit moosigen Steinen gepflastert, gerade so breit, dass die Pferde auch in den Kurven in gerader Linie zum Berg gehen können. Erklimmen die Tiere den Berg schräg, finden die Hufe keinen Halt.
Herabgestürzte Felsen versperren hier und da den Weg, ein Bach läuft über den Pfad, eine Kante des Wegs ist abgebrochen, mit Flechten bewachsene Äste der Steineichen ragen in den schmalen Grat zwischen Bergflanke und Abhang. Der Nebel wabert zwischen den Eichen und Kiefern. Stille, unendlich scheinende Stille des Berges, die einzig vom gleichmäßigen Schlag der Hufe unterbrochen wird.
Auf 1.900 Meter Höhe verschlägt der Nebel für einen Moment die Sicht, um dann als Wolke zu entschwinden und einen sonnenbeschienen Bergrücken vor dem Meer erscheinen zu lassen. Valentino schnaubt.
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