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Recht auf uneingeschränkte Einsicht in eigene Stasi-Akte

■ Betroffene sollen Auskunft über ihre Stasi-Akten bekommen/ Schutz vor Geheimdiensten und Polizei ungeklärt/ Opposition übt heftige Kritik

Bonn. Opfer und Verfolgte des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR sollen ein uneingeschränktes Recht auf Auskunft und Einsicht in ihre Akten erhalten. Dafür haben sich Sprecher aller Parteien bei der ersten Lesung eines Gesetzes über den Umgang mit Stasi- Unterlagen am Donnerstag im Bundestag ausgesprochen.

Der von CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam vorgelegte Entwurf stieß auf scharfe Kritik von Bündnis 90/Grüne. Sie brachten eine eigene Vorlage ein, weil der interfraktionelle Antrag der Polizei und den Nachrichtendiensten zu großen Spielraum beim Zugriff auf das Stasi-Material einräume. Die PDS teilte diese Kritik und sagte den Grünen ihre Unterstützung zu.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Eduard Lintner (CSU), begrüßte den Gesetzentwurf von CDU/CSU, FDP und SPD für die Auseinandersetzung mit der „Krake Stasi“ und wies Vorwürfe gegen die Nachrichtendienste der Bundesrepublik zurück.

Der Entwurf der Regierungsparteien und der SPD-Opposition will Stasi-Opfern größtmöglichen Schutz ihres Persönlichkeitsrechts sichern und zugleich die Möglichkeit zur Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht schaffen. Stasi-Mitarbeiter bekommen nur Einsicht in ihre Berichte, wenn dies zur Rechtsverfolgung unbedingt nötig ist. Das Gesetz sieht die Einsetzung eines vom Bundestag gewählten Bundesbeauftragten vor, der eine ähnliche Rechtsstellung wie der Datenschutzbeauftragte erhalten soll. An der Verwaltung der Stasi-Akten sollen die neuen Länder in einem Beirat mitwirken.

In der Aussprache wies der CDU- Abgeordnete Johannes Gerster Vorwürfe über eine uneingeschränkte Nutzung der Stasi-Akten durch die Nachrichtendienste zurück. Nur zur Verfolgung von Straftaten durch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes sowie bei Mord, Totschlag, Völkermord und Geiselnahme dürften ausnahmsweise personenbezogene Unterlagen verwendet werden. Akten ohne personenbezogene Daten dürften von den Nachrichtendiensten nur dann genutzt werden, wenn es um Informationen über Spionage oder Spionageabwehr, gewalttätigen Extremismus oder den Terrorismus gehe.

Ingrid Köppe vom Bündnis 90/Grüne kritisierte, die Geheimdienste dürften „Stasi-Akten plündern“. Die Sicherheit des Staates und seiner Geheimdienste werde über die der Opfer gestellt. Insgesamt verstoße der Entwurf gegen den Einigungsvertrag.

Er orientiere sich im Gegensatz zum einstigen Stasi-Gesetz der Volkskammer nicht an den Interessen der Opfer. Die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke wertete den Entwurf von CDU/CSU, SPD und FDP als „Ergebnis knallharter Anschlußpolitik“ und als klassisches Beispiel westdeutscher Sicherheitspropaganda.

Sprecher von SPD und FDP plädierten für einen sensiblen Umgang mit den von der Stasi widerrechtlich angelegten Unterlagen. Aus „Opfermaterial“ dürfe keine Strafverfolgung gegen Opfer werden. Sie hoffen, daß das Gesetz mit breitem Konsens nach der Sommerpause verabschiedet wird. Die Regierung hat einen mit der Vorlage von Koalition und SPD wortgleichen Gesetzentwurf beschlossen und im Bundesrat eingebracht. dpa

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