piwik no script img

Reaktion auf Provider-ForderungenGoogle entwickelt eigenes Netz

Die großen US-Provider erwarten von Internet-Firmen die Mitfinanzierung neuer Leitungen. Da setzt Google lieber auf den Aufbau eines eigenen Internets.

Durch das "Unity"-Projekt werden Märkte wie Japan, China und Indien direkter erreichbar. Bild: dpa

Der Internet-Konzern Google beteiligt sich am Aufbau eines 10.000 Kilometer langen Seekabels, mit dem Daten durch den Pazifik hindurch mit hoher Geschwindigkeit zwischen den USA und Asien vermittelt werden sollen. Das Projekt namens "Unity" wird von insgesamt sechs Partnern vor allem aus dem Telekommunikationsbereich entwickelt und bietet Geschwindigkeiten von bis zu 7,68 Terabit pro Sekunde. Bis 2010 soll die Leitung fertig sein - Google erwartet, dass zu diesem Zeitpunkt 20 Prozent mehr Daten über den Pazifik fließen. Bereits zwischen 2002 und 2007 habe der Ansturm auf die Verbindung um fast 65 Prozent zugenommen.

Das Projekt soll insgesamt 300 Millionen Dollar kosten und der Suchmaschine garantierte Bandbreiten bringen. Märkte wie Japan, China und Indien sind so direkter erreichbar. Der Plan ist Experten zufolge ein Versuch des Internet-Konzerns, sich von großen Internet-Providern unabhängiger zu machen. Der Suchmaschinenmarktführer wäre die erste große Web-Firma, die sich direkt an einer derartigen Verbindung beteiligt.

Die dahinter liegende Problematik hört auf den Namen "Network Neutrality": Große Provider, die in den USA und anderswo wichtige Teile des Internet-Zugangsgeschäftes kontrollieren, sollten eigentlich jedweden Datenverkehr durchlassen, wie dies im Netz seit Anbeginn der Fall war - niemand wird diskriminiert, alles, was der User wünscht, weitervermittelt. Genau so setzte sich das Netz durch und hat dafür gesorgt, dass es dem Nutzer egal sein kann, ob er nun mit Berlin oder Peking kommuniziert.

Allerdings hat sich im Zuge der erhöhten Bandbreitennutzung der Nutzer, beispielsweise im Bereich Online-Video, in den vergangenen Jahren eine Diskussion gebildet, die diese "Netzneutralität" plötzlich hinterfragt. Gleichzeitig beginnen erste Anbieter, ihnen nicht genehme Dienste, etwa den Dateitausch mittels Bittorrent oder Internet-Telefonieverbindungen mittels Voice-over-IP, auszubremsen oder gänzlich zu untersagen. So darf man etwa bei manchem deutschen Mobilfunknetz keine Online-Sprachverbindungen aufbauen, weil dies die regulären, teureren Telefonminuten absenken würde.

Der Konflikt kommt nicht von ungefähr: Die DSL- und Kabel-Internet-Firmen müssten eigentlich längst ihre Netze ausbauen, damit die User weiterhin schnell an all die schönen Multimedia-Angebote gelangen - schließlich bezahlen sie ja dafür. Doch statt dies zu tun und hohe Summen in die Hand zu nehmen, geben einige von ihnen den schwarzen Peter an die Inhalteanbieter ab: Ihr macht, sagen sie, das große Geld über unsere Netze, da könntet ihr ja auch etwas bezahlen. Google & Co. wiederum weisen dies auf das Schärfste zurück: Schließlich gäben sie bereits jetzt Millionen dafür aus, mit ihren Servern am Netz zu sein, erhalten ihren Internet-Zugang also keinesfalls kostenlos und zahlen für jedes Megabyte, das ihre Netze verlässt. Diese Aufteilung der Kosten ist im Internet ebenfalls von Anfang an so gewesen.

Sollte die Netzneutralität tatsächlich fallen, könnte dies zu einer Fragmentierung des freien Internet führen. Mag dann Provider X Suchmaschine Y nicht, verlangt er zusätzliches Geld. Zahlt Suchmaschine Y nicht extra, erhalten Kunden von Provider X eben nur noch extrem langsamen Zugriff. Im schlimmsten Fall müsste dann jeder kleine Website-Betreiber zusätzlich Geld an den Breitbandanbieter seiner Zielgruppe zahlen - für Internet-Experten nahezu unvorstellbar. Die Telekommunikationsriesen wiegeln ab: Das sei alles nicht so schlimm geplant, doch man brauche einfach mehr Geld, seine Leitungen auszubauen.

Genau das scheint nun Google selbst übernehmen zu wollen. Aktuell ist das Unternehmen an einem Bieterverfahren um weitläufige US-Funkfrequenzen beteiligt, die als mögliche Träger eines neuen, kostengünstigen Drahtlos-Internet dienen könnten - über vier Milliarden Dollar wurden bereits geboten. Gleichzeitig scheint Google Gerüchten zufolge auch größere Glasfaserleitungskontingente in den USA und anderswo aufzukaufen, um seine eigene Infrastruktur zu entwickeln. Da ist die Beteiligung an großen Seekabelprojekten nur ein logischer Schritt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!