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Archiv-Artikel

ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL Sex? Sex? Was war noch mal Sex?

Was macht man nicht alles für Geld: über den Beischlaf an deutschen Universitäten schreiben

„Ich weiß nichts über Sex. Ich war immer verheiratet.“ Zsa Zsa Gabor

Die Freundin ist krank. Das Kind quietscht. Mir ist auch schon ganz schlecht. Na, wenigstens kommt heute Abend Schalke im Fernsehen. Aber wie immer, wenn es überhaupt nicht passt, stellt sich Arbeit ein.

„Sie schreiben uns doch noch den vereinbarten Text?“, hat eine Frau auf meinen Anrufbeantworter gesprochen, an die ich mich nur noch dunkel erinnerte. Statt einfach mein Telefon abzumelden, rufe ich leichtsinnigerweise zurück.

Ich erreiche eine weibliche, freundliche und professionell klingende Stimme. Schon einzeln kommen diese drei Attribute selten vor im deutschen Journalismus. Und hier gleich alle drei. Deshalb erinnere ich mich sofort: Mit dieser Redakteurin eines Uni-Magazins habe ich vor Monaten einen Text vereinbart.

„Worum sollte es noch mal gehen?“, fragte ich.

„Darum, wie die neuen Master- und Bachelor-Studiengänge das Partnerschaftsverhalten der Studierenden beeinflussen werden. Deren Tempo und Effizienz drohen zu Lasten von Nähe und Intensität der zwischenmenschlichen Beziehungen zu gehen.“

„Worum genau?“

„Um Sex an der Uni!“

„Oh.“

„Wir wollten einen etwas leichteren Zugang. Deshalb haben wir Sie angerufen. Sie haben das doch nicht etwa vergessen?“

„Nein. Natürlich nicht. Bis wann brauchen Sie den Text noch einmal?“

„Redaktionsschluss war gestern“, sagt die weibliche, professionell klingende Stimme nun nicht mehr so freundlich.

Ich erklärte, das Kind sei krank und die Freundin quietsche, und die Redakteurin hat Erbarmen und gibt mir noch einen Tag. Also los: Sex. Hm. An der Uni. Hm. Sex … Na ja.

Vor dem Schreiben sollte man ja sowieso gründlich recherchieren. Ich ging ins Nebenzimmer und fragte meine Freundin, die in der einen Hand ein Glas Tee, eine Paracetamol und ein Fieberthermometer hält und in der anderen Hand ein quietschendes Kind.

„Ich muss etwas Leichtes über Sex an der Uni schreiben. Fällt dir etwas ein?“

„Sex? Sex? Was war noch mal Sex?“

Sehr komisch. Dabei haben wir uns einst in einem Studentenkeller kennen gelernt. Schon im dritten Semester. Wahrscheinlich studierten wir einfach nur zu schnell. Ich beschließe, meine Umfrage auf eine breitere, quasi empirische Basis zu stellen, und rufe drei Freunde an. Mein repräsentatives Panel besteht aus a) einem Naturwissenschaftler, b) einer Geisteswissenschaftlerin, c) meinem Vater, der kurz nach 1968 studiert hat.

Ich stelle immer die gleiche Frage: Was wisst ihr über Sex an der Uni?

Der Naturwissenschaftler findet schon die Frage komisch.

Die Geisteswissenschaftlerin meint, für Sex an der Uni seien die Austauschprogramme der EU erfunden worden, die nicht zufällig immer nach schönen, ausländischen Männern hießen: Erasmus oder Sokrates. An deutschen Unis, gäbe es, wenn überhaupt, lohnenden Sex nur mit Professoren.

Bleibt noch mein Vater: Der Vertreter der verwegenen Protestgeneration, die bekanntlich die Universitäten in ein dampfendes Chaos der Lust und Kreativität verwandelt hatte, fragt zurück:

„Was? Sex? An der Uni? Junge, ich guck gerade Schalke.“

Das habe ich dann auch gemacht. Kurz vor dem 1:1-Ausgleich durch Schachtjor Donezk denke ich noch, dass die Redakteurin wahrscheinlich Recht hat: Wenn alle versu- chen, ein Studium in Rekordzeit hinzulegen, vergessen sie dabei, ihre Kommilitoninnen oder Kommilitonen flach zu legen. Und das ist eigentlich gar nicht komisch, sondern richtig schade.

„Du solltest später mal Philosophie studieren, 40 Semester lang“, sage ich zu meinem Sohn nach dem Abpfiff: „Darauf stehen die Bräute.“ Er quietscht skeptisch.

Fragen zu Erasmus? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried über CHARTS