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Archiv-Artikel

RICHARD ROTHER ÜBER NEUE BAUPROJEKTE DER BAHN Weniger Glanz, mehr Gleise!

Sicher: Die Milliardeninvestitionen, die seit der Wende in das deutsche Schienennetz geflossen sind, haben das Bahnfahren oft besser gemacht. Wer beispielsweise von Berlin nach Hamburg, Köln oder Freiburg fahren will, kann innerhalb weniger Stunden bequem ans Ziel rauschen. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis?

Denn während die Rennstrecken ausgebaut werden, verkommen vielerorts Bahnhöfe, werden Strecken stillgelegt. Dann ist Bahnfahren wenig attraktiv. Wer beispielsweise von einem Dorf in Brandenburg in ein niedersächsisches fährt, muss weite Umwege in Kauf nehmen und mehrfach umsteigen – und plötzlich ist das Auto deutlich schneller und bequemer.

Schuld daran sind Politik und Bahn gleichermaßen. Sie fixierten sich jahrelang auf prestigeträchtige Großprojekte, ohne den Nutzen für das Gesamtsystem Bahn – mit kundenfreundlichen und garantierten Anschlüssen im Personenverkehr – im Auge zu haben. Manchmal bringt nämlich die billige Beseitigung eines Engpasses an einem Bahnknoten mehr als der teure Tunnel. An der falschen Prioritätensetzung hat auch die Bauindustrie ihren Anteil: Spektakuläre Großprojekte wie Stuttgart 21 sind nicht nur lukrativer, sie sind auch Referenzen bei der Akquise im Ausland.

Insofern bergen Wirtschaftskrise und knappe Kassen auch eine Gelegenheit: All die geplanten Milliarden-Projekte müssen überprüft werden. Wichtigstes Kriterium für eine Investition: Ist sie geeignet, deutlich mehr Personen- oder Güterverkehr auf die vergleichsweise umweltfreundliche Schiene zu bringen? Allerdings darf es bei einer reinen Kosten-Nutzen-Abwägung nicht bleiben. Infrastrukturpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik. Denn die Bewohner schrumpfender Städte in Ostdeutschland, NRW oder Franken dürfen nicht vom Schienenverkehr abgekoppelt werden.

Wirtschaft und Umwelt SEITE 6