REGIERUNGSBILDUNG IN ÖSTERREICH: SCHÜSSEL WÄHLT BILLIGSTE LÖSUNG : Und zuletzt lacht Haider
Warum wurde eigentlich gewählt? Diese Frage musste sich Wolfgang Schüssel immer wieder anhören, nachdem er Verhandlungen für eine neuerliche Regierung mit der FPÖ verkündet hatte. Dass die politisch, moralisch und ökonomisch bankrotte Haider-Partei jetzt stabiler ist als vor einem halben Jahr, als Schüssel in Neuwahlen flüchtete, glauben selbst in der ÖVP nur Zweckoptimisten.
In der FPÖ tobt ein Machtkampf, und zu erwartende Desaster bei Regionalwahlen werden die Selbstzerfleischung weiter beschleunigen. Selbst Kommentatoren, die das erste Kabinett Schüssel für erfolgreich halten, legen die Erwartungslatte jetzt so niedrig, dass sie nur positiv überrascht werden können.
Anders als vor drei Jahren wird es diesmal gegen eine schwarz-blaue Regierung keine lautstarken Proteste geben – weder im Inland noch in der EU. Angesichts der bescheidenen Erfolgsbilanz der abtretenden Regierung und der störrischen Rückwärtsgewandtheit des nationalen Lagers der FPÖ ist resigniertes Kopfschütteln die häufigste Reaktion. Aber Wolfgang Schüssel muss sich erstmals, seit er Kanzler ist, offene Kritik aus den eigenen Reihen anhören. Sein Nimbus als genialer Stratege ist verpufft. Was ist genial daran, drei Monate lang Bevölkerung und andere Parteien mit Sondierungen und Pseudoverhandlungen zum Narren zu halten, um schließlich doch den billigsten Partner zu wählen?
Sollte er mit den Grünen wirklich eine Einigung angestrebt haben, dann hat er dilettantisch verhandelt. Er konnte nicht erwarten, dass Van der Bellen ohne herzeigbares Ergebnis vor seine skeptische Basis treten würde. Für die großen Reformen, die der Kanzler im Munde führt, braucht er die SPÖ. Nur mit ihr hätte eine Regierung die notwendige Verfassungsmehrheit. Doch das Team von Alfred Gusenbauer wurde erst hingehalten und dann vergrault. FPÖ-Chef Herbert Haupt weiß nur zu gut, dass Schüssel keine Alternativen mehr hat. So ist auch der Wahlverlierer unerwartet in der Lage, seinen Preis hochzuschrauben.
RALF LEONHARD