RALPH BOLLMANN MACHT : Ole Schröder
Warum Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust dem Exkanzler immer ähnlicher wird. Und was das mit unserer Familienministerin Christina Schröder zu tun hat
Ole Schröder wurde bekannt als der Mann, der unserer Familienministerin den Namen gab. Im Februar heiratete der parlamentarische Staatssekretär aus dem Innenministerium die hessische CDU-Politikerin Kristina Köhler, deren kurz zuvor erfolgte Berufung ins Bundeskabinett eindrucksvoll den Machtverlust ihres Landesvorsitzenden Roland Koch demonstriert hatte.
Dass Köhler als einziges Regierungsmitglied seit 1949 während der Amtszeit den Familiennamen wechselte und sich fortan Schröder nannte, wurde im politischen Berlin allgemein als überflüssiger Kotau einer liberalen Unionspolitikerin vor dem konservativen Parteiflügel bewertet. Zumal die Verwechslungsgefahr beim neuen Namen so groß war wie beim alten.
Mit Blick auf kommenden Sonntag kam mir Ole Schröder erneut in den Sinn, wiederum nur wegen seines Namens. Weil an dem Tag, an dem die Hamburger über ihre Schulreform abstimmen, Bürgermeister Ole von Beust zum Schicksalsgenossen des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder wird. Von Beust hat den Vergleich selbst gezogen, vorige Woche in einem Interview.
Der Bürgermeister muss um sein politisches Überleben fürchten, weil er etwas tat, was nur ein CDU-Politiker tun konnte: längst überholte Positionen der eigenen Partei in der Bildungspolitik abräumen. Keiner wirbt überzeugter für die Einheitsschule, kein SPD-Politiker würde es wagen, bürgerliche Ressentiments so rüde abzukanzeln. Und keiner darauf hinweisen, dass es eine Trennung der Schüler nach der vierten Klasse weltweit nur in Deutschland und Österreich gibt. „Wunderbar“ finden das auch Spitzengrüne aus anderen Bundesländern, die das Pech haben, ein solches Programm mit Sozialdemokraten durchsetzen zu müssen.
Bei Schröders Hartz-Reformen war es ähnlich. Kein konservativer Politiker hätte so tief in den Sozialstaat eingreifen können. Keiner schwarz-gelben Regierung wäre der Hinweis verziehen worden, dass es so etwas wie eine lebenslange Arbeitslosenhilfe weltweit praktisch nirgends gibt. Bekanntlich geriet auch Schröder mit seinem Programm in Schwierigkeiten. Schröder gab auf, auch wenn heute keiner mehr den Beweis führen kann, ob seine Flucht 2005 voreilig war oder nicht.
Von Beust ist damit der Letzte seiner Art. Alle anderen haben inzwischen akzeptiert, dass die Wähler Veränderung nicht wollen, und tasten sich an Neues allenfalls auf Samtpfoten heran. So macht es die Kanzlerin, so macht es die neue SPD-Spitze, so machen es die Grünen.
Die Hamburger entscheiden am Sonntag also auch darüber, ob Deutschlands Politiker zukünftig noch etwas anderes reformieren werden als den eigenen Namen.
■ Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: Archiv