Prozess nach dem Tod eines Säuglings : Der Sohn des Lukasz D. wachte nicht mehr auf
„Gewalt gegen ein so kleines Kind ist für mich krank“, sagt der Angeklagte
Vater schüttelt Säugling zu Tode, dieses Szenario ist nicht selten. Meist sind die Mütter aus dem Haus und die Väter sehr jung. So wie bei Lukasz D. und seinem Sohn Alex. Ende Oktober 2005 fuhr die polnischstämmige Mutter des vier Monate alten Säuglings für mehrere Tage in ihre Heimat. Das Kind blieb beim 21-jährigen Vater. Am 5. November 2005 starb es infolge abgerissener Brückenvenen und daraus resultierender Gehirnblutungen.
Gestern begann der Prozess gegen Lukasz D., dem die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge vorwirft. Am 1. November 2005 seien er und sein Sohn aus Recklinghausen zurückgekehrt, berichtete der Germanistikstudent in seiner Aussage. Er habe seine Mutter besucht und war nach Hause gefahren, weil das Kind so unruhig gewesen sei. Lukasz D. vermutete den Grund in einer zuvor erfolgten Impfung und im Wechsel der Säuglingsnahrung. In der damaligen Wohnung in der Lankwitzer Schulstraße habe er das Kind dann gefüttert, gewickelt und durch die Wohnung getragen, so der gebürtige Warschauer.
Wie so oft sei das Kind mit einer Flasche eingeschlafen. Er habe es dann ins Bett gebracht. Der Junge sei jedoch mehrfach wach geworden. Er habe Alex dann immer in den Schlaf geschaukelt. „Das hat er gern gehabt.“ Gegen ein Uhr ging Lukasz D. ins Bett. Seine Nachtruhe wurde mindestens dreimal unterbrochen, beim vierten Mal fand er ein regloses Kind: „Seine Augen waren halb offen, er war blass und atmete nicht. Als ich ihn diesmal aus dem Bett nahm, kam überhaupt keine Reaktion. Wie als ob er schon tot wäre.“
Der Vater geriet laut eigener Aussage in Panik und schüttelte das Kind ein-, zweimal. „Damit er wach wird.“ Er habe gedacht, er tue etwas Gutes für das Kind, das nun schnarrend nach Luft schnappte. „Gewalt gegen ein so kleines Kind ist für mich krank.“
Vorsichtig goss er noch Wasser über Alex’ Kopf, dachte: „Vielleicht wird er dann wach.“ Er rief die Verlobte an, sie solle schnell nach Hause kommen. Als er die blau angelaufenen Fingernägel seines Sohnes sah, wollte er den Notarzt rufen. Doch weil er erst seit einem Jahr in Deutschland lebt, musste er die Nachbarin nach der Nummer fragen.
Im Krankenhaus brachten die Ärzte das Herz zum Schlagen, sie konnten den Hirntod aber nicht verhindern. Nach drei Tagen gaben die Eltern ihre Erlaubnis zur Organspende. Alex D. wurde in Polen beerdigt, sein Vater wurde festgenommen. Kurz vor Weihnachten kam er aus dem Gefängnis frei – ein mögliches Indiz dafür, dass die Staatsanwaltschaft eher an fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge glaubt. „Das Kind war in einem guten Pflege- und Ernährungszustand“, sagt Staatsanwalt Ralph Knispel. Nächste Woche wird das Urteil gesprochen. UTA FALCK