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Proteste in ThailandBlutiger Konflikt im Land des Lächelns

Nach dem Aufmarsch schwer bewaffneter Soldaten droht eine neue Konfrontation. Rothemden sagen einen vorerst geplanten Marsch ab und verbarrikadieren sich.

Demonstrierende Rothemden verbarrikadieren sich an einer Straßenkreuzung. Bild: reuters

BANGOK taz | Blockade statt Bewegung: Ursprünglich wollten die Rothemden durch die Finanz- und Touristenmeile Silom marschieren. Aber das Vorhaben bliesen sie am Dienstag ab. Stattdessen errichteten sie auf der gegenüberliegenden Kreuzung einen Wall aus Bambusspeeren, Autoreifen und Blumenkübeln.

Eine grüne Plane verbirgt seitdem nur notdürftig den Blick auf die Demonstranten, die weiter Teile eines Hotel- und Einkaufsviertels in unmittelbarer Nachbarschaft besetzt halten. Einer der Anführer der Rothemden begründete den Sinneswandel damit, dass in der Silom bewaffnete Soldaten stationiert wurden: "Man will unsere Demonstration niederschlagen."

Ein Rückblick: Noch vor dem Morgengrauen am Montag rückte in einer Seitenstraße der Silom eine Kolonne von Armeelastwagen an. Soldaten begannen damit, vor den Eingängen mehrerer Gebäude und Hochbahnstationen Zäune aus Stacheldraht zu errichten. Auf der Brücke vor der Silom-Kreuzung positionierten sich zudem Dutzende von ihnen mit schweren Waffen. Ganz in der Nähe standen Dutzende Schaulustige. Viele waren sauer. "In Thailand werden politische Konflikte immer nur mit Gewalt gelöst", so ein Mann verbittert. "Das ist das Land des Lächelns."

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Die Demonstranten der Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD), wie die Rothemden sich offiziell nennen, sind überwiegend Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten damaligen Premiers Thaksin Shinawatra. Etliche sind Bauern und Tagelöhner, die jedoch wachsende Unterstützung auch aus der Mittelschicht erhalten. Sie wollen eine sofortige Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Premier Abhisit Vejjajiva ist in ihren Augen unrechtmäßig an der Macht: Das Militär habe geholfen ihn ins Amt zu hieven.

Noch hat die Armee offenbar keine Anweisung, den Protest gewaltsam aufzulösen. Es solle lediglich vermieden werden, dass sich die Proteste auch auf andere Stadtviertel ausweiteten, so Regierungssprecher Panitan Wattanayagorn. Doch eine neue Konfrontation scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

Aber schon der letzte Armeeeinsatz war gescheitert: Bei den Unruhen vom 10. April starben 25 Menschen, mehr als 850 wurden verletzt. Wenig später wurde klar, dass Akteure ihre Hand im Spiel hatten, denen es nicht um die Anliegen der Roten ging. Beobachter sprechen von einer oder mehreren rivalisierenden Cliquen des Militärs, welche die Proteste ausgenutzt hatten. So wurde ein hochrangiger Offizier getötet, der als Vertrauter des moderaten Armeechefs Anupong Paochinda galt. Die Regierung, der massives Versagen vorgeworfen wird, spricht von "Terroristen", die sich unter die Demonstranten gemischt hätten.

Indes wächst der Druck weiter: Vor wenigen Tagen hatte ein vom konservativen Establishment unterstütztes Bündnis erklärt, es wolle erneut mobil machen, wenn die Regung den Konflikt nicht binnen sieben Tagen in den Griff bekommt: Die sogenannte Volksallianz für Demokratie (PAD), deren Anhänger sich in Gelb kleiden, gilt als radikale Anti-Thaksin-Fraktion. Im Jahr 2008 hatten die Gelbhemden den Regierungssitz und Bangkoks Flughäfen besetzt und massiv dazu beigetragen, die damalige Thaksin-nahe Regierung zu entmachten.

"Alles hängt nun davon ab, wie sich die Armee weiter verhält", sagt eine Geschäftsfrau, die weder mit den "Roten" noch mit den "Gelben" sympathisiert. Weigere sich die Armee, die Demos aufzulösen, sei die Regierung bald am Ende. Setze das Militär Gewalt ein, drohe ein neues Blutbad. Aus diesem Dilemma gibt es derzeit keinen Ausweg. Am Dienstag hieß es, es könne gar das Kriegsrecht ausgerufen werden.

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4 Kommentare

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  • SA
    Seksan Ammawat

    Der Artikel ist eine in wesentlichen Teilen korrekte und faire Darstellung der Ereignisse, auch wenn es ein Irrtum ist, dass die Mehrheit der Demonstrierenden hier wegen Thaksin ist. Insgesamt wächst in den westlichen Medien eine realitätsgerechte Darstellung, die es früher gar nicht gab. Insofern: Weiter so!

     

    Ganz furchtbar ist aber das Verhalten von Amnesty International:

     

    AI hatte bereits den Militärputsch begrüßt und ist in Thailand auf das engste mit den "Gelbhemenden" verbündet, deren Zentralforderung es ist, der thailändischen Landbevölkerung das Wahlrecht zu beschneiden. Denn nur so kann die Oberschicht, die jetzt regiert, die Macht dauerhaft behalten.

     

    AI hatte die Proteste der "Gelbhemden" dann massiv unterstützt, sogar mit einer offenen Erklärung der Unterstützung, die AI erst später zurück zog als es ihnen dann doch zu peinlich wurde, dass sie jedes Image an Unparteilichkeit verloren.

     

    Dennoch hat AI nie aiufgehört, die "Gelbhemden" zu unterstützen und die Demonstrierenden zu dämonisieren. Vor dem Massaker schwieg AI. Jetzt hat AI eine Erklärugn eroffnet, die eine offenen Parteiname für die Regieurng und eine Verurteilung der Opposition darstellt. Im Internet freuen sich bereit Anhänger der "Gelbhemden", dass AI sogar die gewalttätige Niederschlagung des Aufstandes nicht als illegitim bezeichnet habe, was der Realitöät entspricht.

     

    Nich tnur als Thai, sondern gaz allgemein als Mensche hoffe ich dringlich, dass die TAZ der Sache nachgeht, wie es so weit kommen konnte, dass eine Menschenrechtorganisation sich auf die Seite einer demokratrisch nicht legitimierten Regierung und der Militärs stellt, die möglicherweise in Kürze ein zweites Mal ein Blutbad in Thailand veranstalten werden.

  • CK
    Christian Kirsch

    Schön, dass Ihr online eine andere Überschrift gewählt habt als in der gedruckten Ausgabe. Das dortige "Militär riegelt ... ab" hatte mit der realen Situation in Silom nämlich nichts zu tun.

     

    Zwar lungerten wirklich an jeder Straßenecke und in jedem zweiten Hauseingang Soldaten rum, es gibt etliche Natodraht-Sperren, aber "abriegeln" ist wohl doch etwas anderes. Jedenfalls war noch am Montag nachmittag und abend das Leben dort recht normal - allerdings sehr touristenarm.

  • P
    Peter

    Eigentlich keine schlechte Zusammenfassung der Situation in Bangkok. Aber es hat sich in den letzten Wochen/Monaten doch ein wenig was geändert. Nur noch wenigen(oder zumindest nicht mehr der Mehrheit) der Redshirts geht es um die Wiederkehr des 2006 vom Militär weg geputschten PM Taksin. Der größere Teil der Bewegung möchte nur einfach demokratische Wahlen, mehr Rechte für die Ärmeren Menschen (viele davon aus Thailands Nordosten, dem Issan) und die alte Verfassung von 1997, welche die demokratischste Verfassung war die Thailand jemals hatte. Meiner Meinung nach sehr verständlich und unterstützenswert, da es doch seit dem Putsch keine demokratischen Wahlen mehr gab.

    Die "grüne Plane" ist übrigens ein Netz das sonst in der Landwirtschaft verwendet wird um Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung zu schützen, sicherlich wird auch die Sicht dadurch von oben beeinträchtigt, aber wichtiger ist wohl der Schutz vor der Sonne - immerhin hat es auf Bangkoks Straßen zu dieser Zeit oft über 40 Grad und der Platz hat nur wenig Schatten.

  • WB
    Walter Breymann

    Zitat TAZ: Im Jahr 2008 hatten die Gelbhemden den Regierungssitz und Bangkoks Flughäfen besetzt und massiv dazu beigetragen, die damalige Thaksin-nahe Regierung zu entmachten. Zitat Ende

     

    Diese Besetzung des Flughafens war die letzte aber erfolgreiche Aktion der Gelbhemden, die seit Juni friedlich gegen die, wegen Stimmenkäufen überführte Regierungspartei PPP, demonstrierten. Erst nach der Besetzung trat das Verfassungsgericht zusammen, um das seit Mai überfällige Urteil zu sprechen, und die Partei PPP aus der regierung zu entfernen.