Profiboxer im Einsatz gegen eine Schulschließung : Erfolgreiche Demonstration
Die Monumentenstraße vor der Schöneberger Schwielowsee-Grundschule ist von einem beachtlichen Polizeiaufgebot abgeriegelt: Vier Einsatzwagen und ebenso viele Polizeimotorräder blockieren mit Blaulicht den Verkehr. Drei Mannschaftswagen sind direkt vor der Schule postiert. Ist nun also auch Schöneberg ein Jugendproblem-Bezirk?
Es sieht ganz danach aus. Vor dem Schuleingang haben sich über 400 Schüler versammelt – ausgerüstet mit allem, was es zum Unruhestiften braucht: Tröten, Trommeln und Trillerpfeifen. Dazu rufen sie: „Wir wollen bleiben!“ Das konkrete Jugendproblem: Die Schwielowsee-Schule soll im Februar 2007 aus unbestimmten Gründen geschlossen werden. Am Nikolaustag ziehen die Grundschüler deshalb zum Schöneberger Rathaus, mit Eltern, Lehrern und Schildern, auf denen „SOS“ geschrieben steht – für „Save our school“.
Die 1974 eröffnete Schwielowsee-Schule ist die älteste Ganztagsgrundschule im Westteil Berlins. Seit Jahren ist bekannt, dass sich in der Deckenverkleidung des Gebäudes Asbest befindet. Obwohl bei den regelmäßigen Kontrollmessungen bislang keine bedenkliche Konzentration des krebserregenden Stoffes festgestellt wurde, ist eine Sanierung unumgänglich. Geplant war der Beginn der Renovierungsarbeiten für Februar 2007. Die Schüler sollten während der zweijährigen Umbauzeit auf drei Ausweichschulen verteilt werden.
Es kam anders. Unstimmigkeiten mit den Architekten verzögerten das Bauprojekt, sicher geglaubte EU-Fördergelder verfielen. Der Beginn der 12 Millionen Euro teuren Arbeiten wurde verschoben – auf „frühestens 2010“, wie Schulstadtrat Dieter Hapel (CDU) verlauten ließ. Nur eines blieb: der Auszugstermin für die Schüler im Februar 2007. Die Schule würde drei Jahre leerstehen. Mindestens.
„Dass unsere Kinder ausziehen müssen, ist total unlogisch“, empört sich Christian Maaß. Er begleitet seine beiden Töchter zum Rathaus. „Heute sieht man, was an unserer Schule so besonders ist“, sagt er. Die Eltern engagierten sich, die Zusammenarbeit mit den Lehrern klappe prima, genauso wie die Integration von Migrantenkindern. Rund die Hälfte der Schüler ist nichtdeutscher Herkunft. Der Elternbeirat befürchtet, dass die Bezirkspolitiker mit der Umverteilung der Schüler auf unbestimmte Zeit Tatsachen schaffen wollen, die zu einer schleichenden Schließung der Grundschule führen.
Vor dem Schöneberger Rathaus angekommen, stimmen die Grundschüler ein Lied an: „Wir ziehen nicht aus, wir stehen zusammen.“ Eine Musiklehrerin dirigiert den 400-stimmigen Chor. Die Schüler haben eine Liste mit 2.500 Unterschriften gegen den Zwangsauszug mitgebracht, um sie Schulstadtrat Hapel zu übergeben. Hapel bleibt der Übergabe aus terminlichen Gründen fern.
Dafür kann die Übergabezeremonie mit zwei anderen prominenten Gästen aufwarten. Der eine: Oktay Urkal, Box-Europameister und einstiger Schwielowsee-Schüler. Er wolle mithelfen, dass die „schönste Schule in Schöneberg“ erhalten bleibe, ruft Urkal in die begeisterte Menge.
Der zweite prominente Redner des Tages ist Ekkehard Band (SPD), Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg. Trotz Erkältung und 40 Grad Fieber sei er gekommen, verkündet er. Und: Er habe vollstes Verständnis für die Sorgen der Schüler. Natürlich. Aber die Lage sei nicht einfach. Was wie die Einleitung für weitere Politikerphrasen beginnt, nimmt eine unerwartete Wendung. „Ich verstehe diese Auslagerung auch nicht“, krächzt Band mit heiserer Stimme ins Megaphon. Dann folgt der Satz, der die Schüler in Jubel ausbrechen lässt: „Der Auszugstermin im Februar ist aufgehoben.“ Solange von dem Gebäude keine Gesundheitsgefährdung ausgehe, sollen die Schüler dort bleiben dürfen. Gelöst ist das Problem damit zwar nicht. Doch für die Schüler ist bereits das eine gute Nachricht. MARKUS WANZECK