Press-Schlag: Des Laberers Flucht
■ Senilitätsbedrohtes ZDF will sich mit juveniler B.-Kerner-Note aufpäppeln
Seine neue Freundin, die Hockey-Nationalspielerin Britta Becker, meldeten unlängst alle relevanten Society-Blätter, sei wohl der eigentliche Grund für den nun bestätigten und Ende 1997 über die Bühne gehenden Wechsel des Johannes B. Kerner zum ZDF. Sie spielt in Rüsselsheim, er labert demnächst vom Lerchenberg herab. Soll so sein.
Kerner (32), das 1996 zum beliebtesten Sportkommentatorenmoppel der Republik gekürte Männlein, gibt selbst keine näheren Auskünfte. Er freue sich nur darauf, „daß ich beim ZDF wieder die beiden Dinge zum Einsatz bringen kann, die mir Spaß machen: Sport und Unterhaltung“.
Bei den längst größenwahnsinnig gewordenen Sat.1- Schlaumeiern scheint ihm die Lust vergangen zu sein. Es spricht für Kerner, die dort immer deutlicher Kontur gewinnende Entwicklung zum pathologischen Fußballunterhaltungswahn erkannt und Konsequenzen gezogen zu haben. Während sich Beckmann kürzlich im Spiegel darüber mopste, daß seinem Spitzenprodukt „ran“ weder von Funktionärs- noch von Spielerseite tosender Beifall gespendet werde, verläßt der zielstrebige Kerner lieber das leckgeschlagene Schiff.
Er weiß, daß man ihn, der morgens seine Hosenträger und sein Grinsen festschnallt, für „ein ganz besonderes Programmtalent“ (Intendant Stolte), einen multifunktionalen Alles-Verkäufer hält, der das senilitätsbedrohte ZDF mit seiner speziellen juvenilen Kerner- Note aufpäppeln soll. Wöchentlich einmal Infotainment, das „Aktuelle Sport-Studio“ („ASS“) und „sechs große Sonntagsshows“ will er präsentieren, sogar Spiele der Nationalmannschaft übertragen.
Aus den für sich jeweils recht einfältigen „ASS“-Moderatoren Jauch und „Steini“ Steinbrecher sowie dem Neuzugang setzt sich also künftig jene Dreifaltigkeit erneut zusammen, der Kerner schmählich den Rücken kehrt. „Wonti“ wird sich naß machen, Hansch wahrscheinlich auch. Und Fred Kogel, der noch jeden Sender in den Quotenkeller rangiert hat, ist erzürnt, weil er Mediensachverstand erkennt, wo's bei ihm arg mangelt. Denn einen wohlbedachten Karrieresatz hat „Johannes B. Körner“ (K. Sokolowsky) gemacht, dorthin, wo die Quoten steigen: Je nachdrücklicher sich die Öffentlich-Rechtlichen dem reinen Mindersinn des privaten Guckkastenfernsehens angleichen, desto schneller gewinnen sie auch wieder jenes Renommée zurück, das aus der Täuschung des Publikums resultiert, man arbeite obendrein nach den Grundsätzen journalistischer Kompetenz. Somit irrt der neue Dienstherr lediglich in einem Punkt, da es heißt, Kerners Verpflichtung sei „ein weiterer Schritt ... zur Unterstreichung der Kompetenz in Sachen sportlicher Information.“ Jürgen Roth
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