Praktikanten im Auswärtigen Amt: Hauptsache, sie arbeiten
Das Auswärtige Amt bezahlt Praktikanten nicht, verlangt aber vollen Einsatz. Seit Jahren schon gibt es deswegen Beschwerden - die werden aber ignoriert.
BERLIN taz | Es war wie ein großes Familientreffen. Zur Botschafterkonferenz, die am Donnerstag zu Ende ging, reisten deutsche Spitzendiplomaten aus der ganzen Welt nach Berlin. Auf dem "Wirtschaftstag", zu dem auch Unternehmensvertreter eingeladen waren, bedankte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dann artig - bei den Sponsoren. Diejenigen, die alles organisierten, erwähnte er nicht. Dabei hätten einige das besonders verdient gehabt: die unbezahlten Praktikanten.
Für viele ist es kein bloßes Hineinschnuppern in den Beruf, sondern sie werden als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt. Auch sonst herrscht ein fragwürdiger Umgang mit dem Nachwuchs.
Nach taz-Informationen sind in verschiedenen Referaten Praktikanten teils seit Monaten ausschließlich mit der Organisation der Botschafterkonferenz beschäftigt. In dem Referat, das den Wirtschaftstag organisiert, wurden extra mehr Praktikanten eingestellt. Bei der Veranstaltung selbst waren von 7.30 Uhr bis in den Abend hinein zwei Dutzend Praktikanten eingeteilt, etwa als Workshop-Betreuer.
"Praktika müssen fair statt prekär sein und dürfen keine regulären Jobs ersetzen. Das muss auch für Ministerien gelten", kritisiert Kai Gehring, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Eine Sprecherin des Auswärtige Amtes sagte, es seien nur sechs zusätzliche Praktikantenstellen eingerichtet worden, und ging auf weitere Kritik zunächst nicht ein.
Weniger Rechte für Pflichtpraktikanten
Im Vertrag muss jeder Praktikant versichern, "dass das Praktikum vorgeschriebener Bestandteil des Studiums" ist. Das Amt ermutigt aber auch zur Unterschrift, wenn das Praktikum freiwillig absolviert wird. Eine Studentin wurde in einer Antwort-Mail beschwichtigt: "Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden von Ihnen keine Nachweise verlangen. Diese Passage war eine Vorgabe der Rechtsabteilung, die den Vertrag ausgearbeitet hat."
Und das hat seinen Grund: Pflichtpraktikanten haben viel weniger Rechte. Während das Berufsbildungsgesetz für freiwillige Praktika eine angemessene Vergütung vorschreibt, müssen Pflichtpraktikanten nicht bezahlt werden. Sie haben auch keinen Urlaubsanspruch. Aber auch sie haben ein Anrecht auf Bezahlung, wenn sie Aufgaben übernehmen, die eigentlich ein normal Beschäftigter übernehmen müsste. Das haben Arbeitsgerichte mehrfach so entschieden.
Zwar ist man sich einer Sache durchaus bewusst: "Praktikant/inn/en […] spielen […] für das Bild des Auswärtigen Amtes in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle", heißt es in einem internen Runderlass vom Februar. Doch das Amt tut wenig dafür, dass das Bild positiv ausfällt.
Ende vergangener Woche hat Westerwelle von 20 seiner Praktikanten einen Brief bekommen, sie sprechen von einer "nicht zufriedenstellenden Situation". Sie fordern "gute und faire Praktikumsbedingungen", etwa einen Ausbildungsplan. Noch gibt es keine Antwort.
Seit Jahren beschweren sich immer wieder junge Leute über die Bedingungen ihrer Praktika im Außenministerium. Im Jahr 2008 ließ der damalige Ressortchef Frank-Walter Steinmeier (SPD) ausrichten, dass eine Bezahlung nicht möglich sei, denn: "Das Auswärtige Amt stellt eine aufwändige Infrastruktur sowie Einarbeitungs- und Betreuungskapazitäten zur Verfügung. Auch das kostet."
In einem weiteren Brief schrieben Praktikanten 2010 von der "massiven Mithilfe von unbezahlten Arbeitskräften" und erwähnten ausdrücklich die Botschafterkonferenz.
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