■ Positionen der Bündnisgrünen nach ihrer Sarajevo-Reise: Kopf im Sand
Trotz der Verfassungsgerichtsurteile sind in Deutschland die Fronten in Sachen Bundeswehreinsatz in Krisengebieten hart geblieben. Noch immer sehen die einen sogar in Blauhelm-Einsätzen die Gefahr eines neuen Militarismus. Und die anderen entdecken in der Tatenlosigkeit Mangel an politischer Verantwortung für Menschenrechte und Demokratie. Die Fronten würden vielleicht erst dann aufgeweicht, wenn die Debatte um die Frage ginge, ob der vereinten deutschen Gesellschaft das Vertrauen entgegenzubringen ist, eine verläßliche demokratische Größe in Europa zu sein oder auch nicht.
Daß große Teile der politischen Linken bei uns gegenüber multilateralen, humanitär begründeten Interventionen historisch fundierte Bedenken haben, ist zunächst einmal legitim. Es sollte diesen Linken aber nicht an Selbstbewußtsein mangeln, alte Denkweisen über Bord zu werfen und auf die neuen Herausforderungen, auch die der Außenpolitik, adäquat zu reagieren. Der Umstand, daß so wenig die Wirklichkeit befragt wird, aus ihr Antworten gewonnen und politische Forderungen abgeleitet werden, wirft Schatten auf unsere politische Kultur. Oppositionspolitik heißt eben nicht nur Negation der Regierungspolitik.
Wenn es nun – nach drei Jahren Krieg – den Bündnisgrünen gelungen ist, ihre erste Delegation nach Sarajevo zu schicken, so ist dies sicherlich ein positiver Schritt. Wenn diese die Blauhelme (der anderen Staaten) zum Bleiben in Bosnien und Kroatien auffordert, die Frage der deutschen Beteiligung aber ausklammert, bleibt sie unverbindlich. Und es muß nicht nur die in den Kesseln eingeschlossenen Menschen eigentümlich berühren, wenn die Delegation von der serbischen Seite verlangt, die Grenzen Kroatiens und Bosniens anzuerkennen und die Rückkehr der Vertriebenen zu erlauben, jedoch nicht die Mittel angibt, wie dies, falls dies nicht freiwillig geschieht, zu „erzwingen“ sei.
In dieser Abstraktion bleibt die Position letztlich unverbindlich und hängt der Entwicklung hinterher. Darin unterscheden sich die Grünen von anderen Parteien nicht. Mit „Druck“ etwas „erzwingen“ können die Blauhelme eben nicht. Daß die Diskussion nicht mehr um die Aktion der UNO, sondern die der Nato gehen muß, bleibt ausgeklammert – die Parteibefindlichkeit läßt grüßen. Wer die aus der wirklichen Entwicklung entsprungene Forderung, den Einsatz der Nato zu erwägen, für Imperialismus hält, sollte sich fragen lassen, ob Bosnien und Kroatien Serbien angegriffen haben oder Tschetschenien Rußland. Wer imperialistisch handelt, ergibt sich dann wohl von selbst. Erich Rathfelder
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