Polizeiskandal: „Höchste vertrauliche Behandlung“

■ Neues Kapitel in der unendlichen Geschichte ausländerfeindlicher Übergriffe

Die Vorwürfe gegen Hamburgs Polizeiführung, rassistische Übergriffe auf Schwarzafrikaner im Revier Kirchenallee (Hauptbahnhof) vertuscht zu haben, erhärten sich: Nach Angaben von Rechtsanwalt Peter Wulf, der den Kronzeugen vertritt, habe sein Mandant, der 1992/93 in der Hauptbahnhof-Wache Dienst geschoben hatte, die Revierleitung über die ausländerfeindlichen Übergriffe in Kenntnis gesetzt und zur Wahrnehmung der Dienstaufsicht ermahnt. Passiert sei nichts.

Daraufhin, so Wulf gegenüber der Welt am Sonntag, habe sein Mandant einen Konflikttrainer an der Landespolizeischule aufgesucht, der seinerseits Direktion-Mitte-Chef Richard Peters informiert habe. Wenig später habe Peters dann zwar seinen Mandanten vorgeladen, in dem Gespräch jedoch um „höchste vertrauliche Behandlung“ gebeten. Wulf: „Mein Mandant war durchaus erstaunt, daß er nie wieder auf seine Offenbarungen angesprochen wurde.“ Nach taz-Information gibt Peters an, er habe die Sache „polizeiintern“ regeln wollen.

Eine Maßnahme, die bereits in der Vergangenheit fehlgeschlagen war. Nach taz-Informationen hatte es schon 1991 Beschwerden gegeben. Damals waren junge Bereitschaftspolizisten zu einem Schwerpunkteinsatz zur Koordinierungsgruppe Rauschgift („Kora“) abkommandiert und von einem Reviereinsatzführer mit den Worten eingewiesen worden: „Es werden alle Neger eingesackt, hier wird dann sortiert. Irgend etwas bleibt immer hängen.“ Nach Beschwerden eilte auch damals Peters ins Revier, um die Angelegenheit „intern“ abzuwickeln.

Landespolizeichef Heinz Krappen und Kripochef Wolfgang Sielaff sollen seit Anfang 1994 aufgrund einer Aktennotiz des Leiters der Landespolizeischule, Manfred Bienert, von den Übergriffen im Hauptbahnhofrevier gewußt haben. Zudem hatte Bienert bereits im Sommer '94 ausländerfeindliche Tendenzen in der Polizeischule beklagt. Mehrere Politologen hatten „Defizite“ festgestellt, nachdem Polizeianwärter „rechtsradikale Parolen“ verbreitet hatten. Die Polizeiführung ordnete zwar einen Maßnahmenkatalog an, der damalige Innensenator Werner Hackmann wurde aber über keinen Fall informiert.

Ob es gegen Peters, Krappen und Sielaff zu einem Verfahren wegen „Strafvereitelung im Amt“ kommt, ist offen. Generalstaatsanwalt Arno Weinert: „Es wird mit Hochdruck in alle Richtungen ermitttelt.“ Weinert hat inzwischen angeordnet, Oberstaatsanwalt Martin Köhnke, der gegen 80 namentlich bekannte Polizisten ermittelt, zur schnelleren Aufklärung einen zweiten Ankläger zur Seite zu stellen. Und auch Bonn meldete sich am Wochenende zu Wort: Rechtsausschuß-Chef Horst Eylmann (CSU) forderte den Rücktritt der Polizei-Chefs, Innenausschuß-Chef Wilfried Penner (SPD) überdies die Suspendierung der 80 Polizisten. Kai von Appen