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Polizei angezeigt -betr.: Silvesterkampf um die Sielwallkreuzung, taz vom 3.1.94

betr.: Silvesterkampf um die Sielwallkreuzung, taz vom 3.1.94

Aus unserer Sicht stellen sich die Ereignisse auf der Sielwallkreuzung anders dar, als sie beispielsweise der Weser-Kurier vom Sonntag berichtete. Als Anwohner weiß man um die besondere Anziehungskraft des Ostertors, mehrmals im Jahr kommen dort anläßlich von Straßenfesten, Fußballspielen oder dem Karneval bis zu mehrere tausend Menschen auf der Straße zusammen. Ebenso häufig geht es dabei „hoch her“, wer dies als belästigend empfindet, hat mit dem „Viertel“ einen falschen Wohnort gewählt. Soviel als Vorrede.

Was wir jedoch in der Sylvesternacht erleben mußten, geht weit über dieses Maß hinaus. Im Zuge des Polizeieinsatzes beschoß ein Wasserwerfer zunächst die in unserem Hauseingang zusammengedrängten Menschen, die dort, von dem Einsatz überrascht, nicht Steine warfen, sondern Schutz gesucht hatten. Unsere Klingelanlage wurde beschädigt, Wasser drang durch die Haustür in den Flur ein. Doch damit nicht genug, beim Hin- und Herschwenken der Wasserkanone wurden zwei Fenster im ersten und zweiten Stockwerk getroffen und eingedrückt. Wie man der Presse entnehmen konnte, wurde auch im gegenüberliegenden Haus Sielwall 6 eine Scheibe eingedrückt. Man muß sich das mal vorstellen: in weniger als drei Meter Abstand ein grünes Ungetüm, das bis zum ersten Stockwerk emporragte. Es macht den Eindruck, als würde dort wild und wahllos mit Wasser auf alles geschossen, was sich bewegt. Während das Leben auf der Straße vergleichsweise harmlos ablief, fühlen wir uns erst durch derartige Polizeieinsätze wirklich bedroht.

Unseres Erachtens hat solch schweres Gerät, wie ihn ein Wasserwerfer darstellt, in engen Wohnstraßen nichts zu suchen. Angesichts der Schäden sowie des Ausmaßes der Belästigung haben wir heute (Mo., die Red.) Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bremen gegen die namentlich unbekannte Besatzung des Wasserwerfers wegen Sachbeschädigung eingereicht, sowie den Polizeipräsidenten um eine Regulierung der Schäden gebeten. Wir tun dies auch in der Hoffnung, damit eine Diskussion auszulösen, an deren Ende der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern in Wohngebieten untersagt wird, wie es in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist.

Franck Düvell, Axel Klatt, Ulf Rusek, Jens-Holger Streck (Bewohner des Hauses Sielwalll 5)

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