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Philipps–Konzern Frankreich lockte ComputerClub in die Falle

■ Hamburger Fachmann vom Chaos Computer Club seit Montag in Paris im Knast / Hacker war zu Expertenkongreß über Datenschutz geladen worden / Französische Spezialeinheit schlug zu

Paris/Hamburg (dpa/taz) - Der Hamburger Computerfachmann Steffen Wernery vom Vorstand des Hamburger „Chaos Computer Clubs“ (CCC), der am Montag in Paris festgenommen worden ist, bleibt weiter in Polizeigewahrsam. Ein Pariser Untersuchungsrichter verlängerte am Dienstag die Inhaftierung unter Aufsicht der Finanzpolizei um 24 Stunden. Die 350 Teilnehmer und 110 Beobachter auf dem internationalen Datenschutzkongreß SECURICOM in Paris, zu dem Wernery als Referent geladen war, kritisierten diese Entscheidung. Der Hamburger „Hacker“– Club, der Eingang in fremde Computersysteme findet, wird der Datenpiraterie verdächtigt. CCC– Mitglieder sollen unter anderem in die Computersysteme der US– Weltraumbehörde NASA, des europäischen Atomforschungszentrums CERN in Genf und des französischen Zentrums für Raumforschung CNES eingedrungen sein. Der Hamburger Rechtsanwalt Axel Bauer, der Wernery in einem deutschen Ermittlungsverfahren vertritt, sagte sein Mandant werde verdächtigt, in das Computersystem der Firma Philipps in Frankreich eingedrungen zu sein. Philipps hatte Wernery zum Gespräch eingeladen. Offiziell wurde über den Grund der Festnahme nichts mitgeteilt - Meldungen, wonach Wernery als Zeuge festgehalten wird, werden von der französischen Rechtsanwältin Eva Sterzing dementiert: Ihren Angaben zufolge wurden fünf Straftatbestände für die Festnahme genannt. Im November 1987 hatten Beamte des Bundeskriminalamts in Begleitung französischer Polizisten die CCC–Geschäftsräume in Hamburg durchsucht und zahlreiche Disketten und Unterlagen konfisziert. Anlaß waren Strafanzeigen französischer Firmen wegen Computerpiraterie. Nach Angaben der französischen Sicherheitsbehörden wurden nur deshalb keine CCC–Mitglieder festgenommen, weil es dafür in der Bundesrepublik an einer Rechtsgrundlage fehlte. Nach Vermutung seines Anwalts wird in Frankreich nun ein eigenständiges Verfahren gegen Wernery eingeleitet. SECURICOM–Generaldirektor Peter Hazelzet kritisierte Wernerys Inhaftierung. „Es ist schade, daß ein so wichtiger Gast des Kongresses von der Polizei festgenommen wurde, bevor er sich öffentlich erklären konnte“, sagte er. Da Wernery drei Tage habe in Paris bleiben wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn nach seinem Vortrag zu verhören. Auf Anfrage von Hazelzet, ob Wernery seinen Vortrag noch halten könne, hatte die französische Polizei mit dem Hinweis geantwortet, daß Wernery im Gegenzug bei den Befragungen durch die Polizei „kooperieren“ solle. Am Montag nachmittag war auch der Herausgeber der Fachzeitschrift Datenschutzberater (Handelsblatt– Verlag), Hans Gliss, von der französischen Polizei vorübergegehend festgenommen worden. Gliss teilte am Dienstag mit, die Hausdurchsuchungen beim CCC seien auf Anzeige der französischen Philips–Niederlassung erfolgt. Diese habe nach einer deutschen Fernsehsendung (“Panorama“) am 15. September über das „Hacken“ bei der NASA erfahren und Parallelen zu ihrem eigenen Fall gesehen. Bei der Durchsuchung sei Beweismaterial in Sachen NASA sichergestellt worden. Dieser „Fall“ sei jedoch schon abgeschlossen, da der CCC über ihn, Gliss, selbst am 15. August den Verfassungsschutz informiert habe, der über den US–Geheimdienst CIA die Unterlagen an die NASA weitergereicht habe. Dies habe der NASA ermöglicht, ihren Computer gegen „Hacker“ besser zu schützen. Um die im Zusammenhang mit der Festnahme entstehenden Kosten aufbringen zu können, bittet der Chaos Computer Club um Spenden auf das Konto 599090–201 beim PSchA Hamburg, Stichwort Hackerhilfe

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