piwik no script img

Archiv-Artikel

Philipp Mausshardt über KLATSCH Lügen haben kurze Beine

Wer zum Arzt geht, kommt krank nach Hause. Dabei wollte ich den Arzt nur bescheißen

Die Meldung einer deutschen Nachrichtenagentur vom Mittwoch dieser Woche, wonach immer weniger Deutsche zum Arzt gehen, kann ich nur bestätigen. Das liegt weniger an den zehn Euro Praxisgebühr, sondern an einer guten alten Weisheit, die man viel häufiger beherzigen sollte: „Geh hin, und du kommst krank nach Hause.“

Seit einer Woche leide ich an Salmonellen, genauer: Enteritis infectiosa salmonellose oder noch einfacher: campylbacter enteritis.

Dabei wollte ich nur jemandem einen Gefallen tun: einer Bekannten, die ein ärztliches Attest benötigte, ein wenig helfen, damit das Ganze schneller geht. Sie hatte nämlich an jenem keine Zeit, die Stuhlprobe abzugeben und – weil ich gerne Menschen aus der Scheiße helfe – schlug ich ihr vor: „Dann kack halt ich für dich ins Röhrchen.“

Holte beim Arzt das Plastikteil ab und füllte zwei Löffelchen hinein. Wobei ich dankbar war, in unserer Wohnung über einen Flachspüler zu verfügen. Nun, die Details sind ja auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass einen Tag nach Abgabe meiner falschen Probe der Arzt bei mir anrief (er hatte meine Nummer als Kontakt) und mir sagte, meine Bekannte leide an einer Salmonellen-Infektion.

„Herr Doktor“, stammelte ich, „sie war das gar nicht. Es war meine Stuhlprobe, tut mir leid, aber ich wollte das Ganze nur abkürzen.“ Die Nächsten, die sich meldeten, waren Mitarbeiter des staatlichen Gesundheitsamts, Abteilung „meldepflichtige Infektionskrankheiten“. Den Frageboten „bitte umgehend an uns zurückschicken“. Frage 7 lautete: „Hatten Sie bis zu 2 Wochen vor Krankheitsbeginn Kontakt zu Tieren?“

Mir ging und mir geht es blendend. Übliche Verdauung, keinerlei Beschwerden. Meinen Gang zum Flachspüler verrichte ich täglich zwischen neun und zehn Uhr. Dabei keinerlei Auffälligkeiten. Da bewegt sich nichts in der Schüssel, aber die Dinger sind ja auch „für das bloße Auge unsichtbar, selbst in großen Mengen“.

So steht das auf den acht Seiten Papier, die ich zur Aufklärung vom Gesundheitsamt erhielt und die seither zur allfälligen Beachtung auf dem Küchentisch liegen: „Die Toilette sauber halten!“ – „Handtücher nicht gemeinsam benutzen!“ – „Gründliches Händewaschen nach der Toilettenbenutzung!“

Meist liest man im Zusammenhang mit Salmonellen von Altenheimen oder Kartoffelsalat. Wobei hier wie an schon vielen Stellen nochmals wiederholt sei, dass der schwäbische Kartoffelsalat nicht mit Majonaise angemacht und somit absolut salmonellenfrei hergestellt wird. Salmonellen können sich nur in einem norddeutschen Kartoffelsalat entfalten.

Woher also? Ein verdorbenes Hühnchen an einem der vielen indonesischen Imbiss-Stände, an denen ich mich die letzten Wochen ernährt habe, wird wahrscheinlich als Ursache in Frage kommen. Eine Salmonellose sumatrensis also.

Frage 4 („Wo haben Sie sich vermutlich angesteckt?“) beantwortete ich diesmal ganz ehrlich mit „Imbissbude in einer Seitenstraße von Banda Aceh.“

Ich glaube sogar, ich weiß noch, an welcher. Wir hatten wie immer „everything“ bestellt, also von allem etwas, und in kleinen Schälchen waren uns Reisenden alsdann ein wenig gekochtes Hirn, gebratene Leber, gedünsteter Magen und gesottene Lunge vom Lamm auf den Tisch gestellt worden. Nur die Magenwand (Kuttel) ließ ich liegen. Die war mir zu zäh.

Die Reaktion auf meine Erkrankung ist enorm. Meiner Schwiegermutter wäre am vergangenen Sonntag fast die Kuchengabel samt Erdbeertorte aus der Hand gefallen und sie bat mich mit aufgerissenen Augen darum, mein Essgeschirr doch bitte separat auf den Abwaschtisch zu stellen, damit sie es erst noch alles mit Sagrotan besprühen könne.

Kollegen überprüfen inzwischen, ob ich, auch wenn es nur „kleines Geschäft“ ist, mir die Hände nach Benutzung der Toilette wasche. Hände zum Gruß reicht man mir noch unwillig. Sex ist gestrichen.

Ich bin ein Aussätziger.

Ich habe nicht, ich bin die Salmonelle.

Klar weiß ich, dass Lügen kurze Beine haben. Aber doch nicht so kleine, so unsichtbare und so millionenfach.

Fragen an den Kranken? kolumne@taz.de MORGEN: Peter Unfried über CHARTS