Peter Grohmann : Platte geputzt
Die Plattenbauten von Rostock-Lichterlohhagen und die „ausländerfeindlichen Ausschreitungen“ vor 20 Jahren sind gegessen – wir haben ja den Mordversuch des Mobs 20 Jahre lang gemeinsam niedlich geschrieben und klein geredet. Zur großsprecherischen Großkundgebung gegen Rassismus am 25. August versammelten sich vor dem Rostocker Rathaus fast 500 Leut': Das waren die Antirassisten, die es mit der Wahrheit ganz genau nehmen. Alle anderen hatten natürlich Gelegenheit, „direkt vor Ort“ gemeinsam mit Christen und Atheisten, Parteien und Obrigkeiten die weiße Flagge zu zeigen: 1., es ist alles nicht so schlimm, 2., es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, und 3., wir wollen nur unser Bestes: Grenzen dicht, Hunger-Hartz, Ghetto. Die rassistischen Feuerleger von damals waren die Zaungäste – aber sie kamen ja eh alle „von auswärts“. 500? 5.000? 50.000?
Zahlen sind Schall und Rauch, und wo Rauch ist, ist auch Feuer, das wusste schon meine Omi Glimbzsch aus Zittau.
Die in Lichtenhagen, die wo dabei waren, die wo dort leben müssen, die wo keine Arbeit haben, die wo nicht träumen können, wissen eh nicht, warum sie heut angemosert werden von den Reportern, warum sie denn „damals nichts gemacht haben“. Ach Jungs, damals waren „die“ ja auch erst 10 oder 12, wie die Reporter, die sich 20 Jahre später hechel-hechel auf die Suche nach Nazis machen und nur normale Menschen finden. Etwas fremdenfeindliche Leute, klar, etwas antisemitische, zugegeben, etwas gewaltbereite – aber nur, wenn's unbedingt sein muss. Da machen wir mal keinen Unterschied zwischen hüben und drüben, zwischen Rostock-Lichterloh und Solingen oder sonstewo.
Man hat wenig gelernt in den 20 Jahren, allerseits. Wo auch! Die Häuser von Lichtenhagen, die Plattenbauten, hat man schleunigst mit viel Farbe freundlich angeschmiert wie die Menschen. Wenigstens die Maler hatten zu tun, ansonsten sieht alles weniger freundlich aus, vor und hinter den Fassaden und alten Platten.
Die Angst sitzt tief im Volke. Die Angst, dass uns die Vitschis die Arbeitsplätzchen wegnehmen (die der Ossi eh nie kriegt), die Angst, dass wir überflutet werden (nein, nicht durch schmelzende Eismeere, sondern durch einwandernde Polinnen, die meine Omi Glimbzsch pflegen), die Angst, dass uns die Griechen den Pleitegeier aus Athen schicken, dass wir der Zahlmeister der Welt sind. Die griechischen Kassierer – sprich: die 50 reichsten Familien mit den 50 größtmöglichen Vermögen – haben ihre Kröten längst bei der Deutschen Bank (oder so) hinterlegt. Sie machen schnell noch ein letztes Schnäppchen, wenn Kräne und Eisenbahnen, Fähren und Güterzüge, Hotels, Post, Telekommunikation, Rathäuser und alles, was was taugt an öffentlichen Einrichtungen, unter den Hammer kommen. Sogar die griechische Armee und die Polizei sollen privatisiert werden. Damit zuverlässig an den griechischen Grenzen die Asylanten abgewehrt werden können. Es ist noch Stacheldraht übrig, von früher.
Peter Grohmann, Kabarettist, ist Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter.