Personenführung #93: Ann Christine Jansson: Einen Blick für Talent

Aus ihrer linken Gesinnung machte sie keinen Hehl, war jedoch angenehm frei von deutscher Verbissenheit.

Bild: Elke Seeger

Hej, hej, dieses locker hingeworfene schwedische Hallo brachte Ann Christine jedem in der taz bei.

Sie kam vor über 30 Jahren als Fotografin und wurde für Jahrzehnte unsere Kollegin in der Fotoredaktion, wenn sie nicht gerade in eines ihrer Projekte verschwand, aus denen sie dann froh und erschöpft irgendwann wieder auftauchte. Ein Projekt, eine Galerie, eine Ausstellung, die immer das Ergebnis ihrer Fotografiekurse markierten. Vieles davon floss in Bildern in die taz zurück. In einem enthusiastischen Feldzug hat sie dann geduldig versucht, die Bilder für die eher buchstabengläubige Textkollegen so in Worte zu übersetzen, dass diese sie verstehen. Mit sicherem Blick, geschult in Fotografie bei ihrem schwedischen Meister, der Fotografenikone Christer Strömholm, hatte sie noch ein Studium der Kunstgeschichte und Soziologie im Gepäck.

2003 kuratierte sie Strömholm in einer beeindruckenden Ausstellung im Willy-Brandt- Haus und machte den schwedischen Fotografen einer großen Öffentlichkeit bekannt.

Furchtlos schmuggelte sie Material

Aus ihrer linken Gesinnung machte sie keinen Hehl, war jedoch dabei immer angenehm frei von deutscher Verbissenheit. Es mag ein Vorteil gewesen sein, dass sie als kleine Schwedin bei ihren häufigen Grenzübertritten in die DDR nicht so ernst genommen wurde. Furchtlos schmuggelte sie Material für die ihr nahestehende Umweltbewegung. Mit ihrem Blick bannte sie steife Volkspolizisten ebenso wie die nackten Freaks der „TUWAT“-Bewegung auf Film.

Sie kennt die Arbeitsbedingungen

Ihre Augen und Ohren sind bis heute überall und bei Armen und Ausgegrenzten ebenso wie bei charismatische Promis. Als Fotoreporterin kennt sie die harten Arbeitsbedingungen, das schwere Equipment, die Konkurrenz um den guten Aufnahme-Standort. Wenn freie Fotografen der taz Arbeiten anboten, lag dieses Wissen ihren Bewertungen zugrunde, die niemals Verurteilungen waren.

Ann Christine hat nicht nur das Handwerk erklären können, sondern alle zu eigenwilligen und persönlichen Interpretationen ermutigt. Sie hat einen Blick für Talente und Talent für generationenübergreifende Zusammenarbeit. Respekt, Frau Jansson. Mit 65 will sie jetzt etwas kürzer treten.

PETRA SCHROTT leitet die Fotoredaktion der taz