Panter Preis-Nominierte III : Raum zum Experimentieren
Die SuperCoop in Berlin-Wedding ist ein Supermarkt der besonderen Art, der seinen über 900 Mitgliedern gehört. Es muss aber mitgearbeitet werden.
Von NICOLE OPITZ
taz Panter Preis, 02.09.22 | Das Miteinander ist es, was in der SuperCoop im Vordergrund steht. So ist es nicht verwunderlich, dass es ein Nachbar der Mitgründerin Johanna Kühner war, der die Kooperative für den taz Panter Preis nominierte: „Ich stand im Treppenhaus, da fragt mich mein Nachbar plötzlich, ob das geklappt hat, mit dem Panter Preis. Ich habe von der Nominierung nur durch Zufall erfahren“, sagt Kühner und lacht.
Gemeinsam mit Eugénie Wateau, Jessica Pawlak und Marie Populus gehört sie zum Vorstand, der im Oktober 2020 mit 40 anderen eine Genossenschaft ins Leben rief, um nachhaltige Lebensmittel zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. Mittlerweile sind es über 900 Mitglieder, die sich einen Supermarkt in Berlin-Wedding teilen – sie können dort seit Mai ganz normal einkaufen, dürfen aber auch mitbestimmen, wie die Kooperative gestaltet wird, und sie müssen drei Stunden im Monat hinter der Kasse arbeiten oder Regale einräumen. Voraussetzung ist, dass man einen Genossenschaftsanteil im Wert von 100 Euro erwirbt.
Der taz Panter Preis wird von der taz Panter Stiftung vergeben - zum dritten Mal in Folge an Menschen, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Klimakrise engagieren. Dieses Jahr geht es unter dem Motto „Klima für Gerechtigkeit“ um einen Klimaschutz, der sozial gerecht gestaltet wird.
„Nach der Gründung der Genossenschaft konnten wir mit Banken sprechen, uns um die Finanzierung kümmern, und so haben wir dann auch den Ort hier im Wedding gefunden“, erklärt Kühner. Bevor der Supermarkt im September 2021 eröffnet wurde, konnten Genoss:innen schon 200 Produkte an mehreren Abholstellen mitnehmen. „Es geht auch darum, mit SuperCoop einfach was Neues auszuprobieren“, sagt Kühner. „Genossenschaften und Foodcoops gibt es schon lange, ich will es gar nicht so darstellen, als ob wir das Rad neu erfunden hätten. Aber die SuperCoop soll ein Raum zum Experimentieren sein“, so Kühner.
Mit Erfolg: Im Mai wurde die Verkaufsfläche von 250 auf 700 Quadratmeter vergrößert, regelmäßig kommen neue Mitglieder hinzu. Vorbild sind die Park Slope Food Coop in New York und La Louve in Paris. Desiree Bösemüller, die seit über einem Jahr Mitglied bei der SuperCoop ist, schätzt vor allem die Gelegenheit, unkompliziert mit ihrem Kind einkaufen zu gehen: „Ich finde es schon cool, dass ich in die Coop gehen kann und mein Kind kann da rumlaufen und sich auch schon mal vorher eine Banane schnappen. Ich bezahle sie dann im Nachhinein.“
Überwiegend bio, regional und fair
Auch eine Spieleecke gibt es in der SuperCoop, zudem einen sogenannten Beutelbaum, an dem sich bedienen kann, wem ein Jutebeutel fehlt – und die Zahl der Produkte ist mittlerweile auf fast 3.000 gestiegen. Das meiste davon ist bio, regional und fair. Wenn etwas fehlt, kann es auf die Wunschliste geschrieben werden. Wollen es zwei weitere Mitglieder, wird es bestellt. „Ich werde demnächst Toasties auf die Wunschliste schreiben“, sagt Bösemüller.
Eine taz-Vorjury hat sechs Kandidat:innen ausgewählt. Vom 17. September bis 15. Oktober findet die Leser:innen-Wahl statt. Zudem wird ein Jurypreis vergeben. Beide Preise sind mit je 5.000 EUR dotiert und werden am 12. November verliehen. Infos: taz.de/panter.
In der Praxis kann es vorkommen, dass ein eigentlich gängiges Produkt nicht immer erhältlich ist – wie etwa Tomaten im Winter. „Sie wachsen dann in beheizten Gewächshäusern, das ist nicht gut für die CO2-Bilanz“, erklärt Kühner. „Ein paar Mitglieder haben zwar nachgefragt, aber wir haben so lange keine frischen Tomaten angeboten, bis sie ohne Beheizung aus europäischen Ländern verfügbar waren.“ Wenn viele das nicht gut finden, könne sich das auch wieder ändern. „Wir versuchen, nicht zu dogmatisch zu sein“, so Kühner.
Auch soziale Gerechtigkeit spielt für das SuperCoop-Team eine Rolle: „Es ist halt immer die Frage, was fair ist für wen“, sagt Kühner. „Wir wollen diverser werden“, auch was das soziale Milieu betreffe. „Es geht darum, dass wir insgesamt mehr Menschen den Einkauf von Bioprodukten ermöglichen.“ Um verschiedene Bedürfnisse abzudecken, besteht die Produktpalette zwar zu 90 Prozent aus Biolebensmitteln, es gibt aber auch discountgünstige Alternativen.
Erschwingliche Preise
Einzelne Produkte sind zwar teurer als anderswo, aber insgesamt sind „die Warenkörbe bei der SuperCoop viel günstiger als bei anderen Biomärkten, die ja bei jedem einzelnen Produkt eine gewisse Preisstrategie verfolgen“, erklärt Bösemüller. Laut SuperCoop kosten die Produkte etwa 20 Prozent weniger als im Biomarkt. Das ist nur möglich, weil die SuperCoop die Preise durch einen einheitlichen Aufschlag reguliert.
Dabei steht der Supermarkt immer noch vor Herausforderungen: Bis Ende 2024 müssten 1.700 Mitglieder für durchschnittlich 110 Euro im Monat einkaufen, damit die Kosten gedeckt sind. Und Einzelnen fällt es nicht immer leicht, auf drei Stunden Arbeit im Supermarkt zu kommen: „Ich arbeite 75 Prozent und bin Mama, da klappt es in manchen Monaten einfach nicht“, erklärt Bösemüller. „Die kann ich dafür im folgenden Monat nachholen. Ich bin froh, dass das so flexibel gehandhabt wird“, sagt sie. „Und mir macht das Arbeiten im Supermarkt auch riesigen Spaß.“
In der SuperCoop grüßt sie Bekannte und unterhält sich mit anderen Kund:innen – wo sonst geschieht das in Berlin? „Es ist ein anderes Gefühl, hier einkaufen zu gehen.“ Beim Bezahlen springt sie manchmal selbst „hinter die Kasse“, um beim Eintippen der Produkt-ID zu helfen. Es ist eine ganz andere Art des Miteinanders von der gleichzeitig auch die Umwelt profitiert.
Infos: supercoop.de