PROGRAMMSCHWÄCHE: DIE CDU/CSU VERWEIGERT DEN REFORM-KONSENS : In die Deckung statt auf den Gipfel
Ein bisschen Gezerre und Geruckel, dann waren die Ministerpräsidenten weitgehend auf Linie gebracht, und die Union konnte einen gemeinsamen Beschluss verkünden: keine Teilnahme an dem, was die Regierung aus offensichtlichen Gründen gern einen „Reformgipfel“ nennt und die Opposition aus ebenso offensichtlichen Gründen lieber als „Krisengipfel“ bezeichnet. Wenn man all das begleitende Wortgeklingel über den hohen Wert parlamenarischer Gremien und den Abscheu gegenüber Kungelrunden einmal weglässt, dann bleibt eine Entscheidung übrig, die aus taktischen Gründen sehr verständlich ist. Und die zugleich ein grelles Licht auf den schlechten inneren Zustand der Union wirft.
CDU und CSU haben gegenwärtig nichts zu gewinnen, wenn sie sich mit der Koalition einigen. Solange es ihnen nicht gelingt, ihr Profil zu schärfen, ist das Einzige, was für sie bei einer konsensualen Lösung herauskommt, dass sie für alles in Mithaftung genommen werden, was auf Kritik stößt. Aussicht auf gute Noten haben sie hingegen nicht.
Der einzige mögliche Erfolg für eine Opposition in Verhandlungen mit der Regierung besteht nämlich darin, dass sie große Durchsetzungskraft beweist und möglichst viel von den eigenen Vorstellungen einbringt. Dafür muss die Öffentlichkeit zunächst einmal erfahren, wie diese Vorstellungen aussehen und was eigentlich durchgesetzt werden soll. Noch immer aber ist es der Union nicht gelungen, ein eigenes Gesamtkonzept zu erarbeiten. Das ist ein erstaunliches Armutszeugnis und ein Hinweis auf eine gravierende Führungsschwäche. Gesetzentwürfe zu Detailfragen können darüber nicht mehr hinwegtäuschen.
Die Frage, ob ein überparteiliches Gipfeltreffen stattfinden soll oder nicht, lenkt somit vom eigentlichen Thema ab: der Tatsache, dass es gegenwärtig keine konkrete Alternative zur Bundesregierung gibt, weder inhaltlich noch personell. Die Lage wird nicht dadurch besser, dass auch die Regierung trudelt und taktiert. Im Gegenteil. Wenn die Bevölkerung keine Wahl mehr hat, macht nicht einmal Schadenfreude richtig Spaß. Noch täuschen gute Umfragewerte über die innere Krise der Opposition hinweg. Aber diese Werte bedeuten, wie Parteienforscher immer wieder betonen, ja eigentlich keinen Applaus für die Union, sondern eine Ohrfeige für die Koalition.
Wollen CDU und CSU mit dieser Strategie die nächsten Wahlen gewinnen, dann können sie nur darauf hoffen, dass die Verhältnisse noch schlechter werden. Diese Haltung ist nun allerdings von der staatsbürgerlichen Verantwortung, die das Führungspersonal der Union zu tragen behauptet, weit entfernt. BETTINA GAUS