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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Rhetorische Eigentore

BLABLA Politiker benutzen gern Fußballmetaphern. Aber wissen sie überhaupt, wovon sie reden?

Folgt man Peer Steinbrück, hat bei einem Fußballspiel jedes Team sein eigenes Spielfeld

Fangen wir mit Reiner Brüderle an – vielleicht ist der Mann am Ende dieses Textes schon ganz in Vergessenheit geraten. Noch können wir uns ja sogar an den Wahlkampfauftakt mit dem notgeilen FDP-Nuschler erinnern. Wie hat der begonnen? Genau – mit einer Fußballmetapher. Als Sturmspitze hat er sich gesehen, als derjenige, der die Tore macht. Das war schon peinlich, als es noch Menschen gab, die sich vorstellen konnten, dass die FDP doch in den Bundestag einzieht. Brüderle, der angeblich ganz gerne zum FSV Mainz 05 ins Stadion geht, hat es noch mit einem anderen Fußballbild versucht. „Die FDP gehört zu Deutschland wie die Fußballnationalmannschaft.“ Hat auch nichts geholfen. Wir wünschen Ihnen, Herr Brüderle, noch viel Spaß beim Fußball, hoffen, dass die DFB-Elf bei den noch anstehenden Spielen zur WM-Qualifikation gegen Irland und Schweden nicht doch noch an der Fünfprozenthürde scheitert, und spielen den Ball weiter zu Peer Steinbrück.

Der bemüht seit dem Wahlabend immer wieder das gleiche Ballsportbild. „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel.“ Eine selten dämliche Bemerkung. Wenn zwei Mannschaften gegeneinander spielen, benutzen sie dann nicht dasselbe Spielfeld? Müsste einer, der Aufsichtsratsmitglied der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist, das nicht wissen? Oder meint er etwas anderes? „Der Ball liegt bei Frau Merkel“ zum Beispiel? Aber was wäre das dann für eine Auffassung vom Fußballspiel? Ich mach jetzt erst mal nichts, die anderen haben ja den Ball. Lieber Herr Steinbrück, mit einer derartigen Einstellung hätte es die von Ihnen beaufsichtigte Borussia wohl kaum in das Champions-League-Finale geschafft. Vielleicht wollte Steinbrück ja sagen: „Der Ball liegt in der Hälfte von Frau Merkel.“ Auch nicht viel besser. Das ist ein Bild, das vielleicht in die Frühzeit des deutschen Heldenfußball passt, als Spieler wie Günther Netzer oder Franz Beckenbauer sich den Ball hinter der Mittellinie in aller Ruhe von einem Fuß auf den anderen legen konnten, ohne Angst vor einer gegnerischen Attacke haben zu müssen. Zu der Pressingmaschine, zu der Jürgen Klopp Borussia Dortmund gemacht hat, passt das Bild jedenfalls nicht. Wir empfehlen Herr Steinbrück dringendst einen Stadionbesuch in Dortmund. Als Aufsichtsrat von Borussia wird der gute Mann ja wohl an eine Karte kommen.

Aber es geht noch schlimmer. SPD-Partei-Vize Manuela Schwesig scheint noch weniger vom Fußball zu verstehen als Steinbrück. „Der Ball liegt jetzt im Tor von Frau Merkel“, hat sie am Wahlabend gesagt und so dreingeschaut, als wäre das etwas, worüber sich die Kanzlerin freuen sollte. Herr Steinbrück, können Sie das bitte übernehmen und der Frau erklären, wie das ist im Fußball? Dazu müssten ja sogar Sie in der Lage sein.

Und wir fragen uns derweil, ob Frau Schwesig überhaupt versteht, was dieser Tage alles geschrieben wird über Politik, ob sie Sätze wie „Der Veggie-Day wird für die Grünen zum Eigentor“ richtig einordnen kann? Oder denkt sie: „Schön für die Grünen, dass der Ball jetzt in ihrem Tor liegt, aber warum hat die Partei dann nicht mehr Stimmen bekommen?“ Und wie ist es mit all den anderen Fußballmetaphern, die dieser Tage gebraucht werden? Weiß sie, was es bedeutet, wenn geschrieben wird, dass eine Partei ihre Führungsspieler auswechselt, dass die Linken im Abseits stehen, dass die CSU auf Angriff spielt oder dass der Wähler der FDP die Rote Karte gezeigt hat?

FDP? Es war zu ahnen. Am Ende dieses Textes ist nicht nur Rainer Brüderle, seine ganze Partei ist vergessen. Abpfiff!

ANDREAS RÜTTENAUER