PKW-MAUT UND VERKAUF VON AUTOBAHNEN BRINGEN LANGFRISTIG NICHTS : Das Tafelsilber nicht verhökern
Noch bevor die große Koalition den Streit um Personalien beendet hat, kehrt die Sachpolitik zurück. Gut so, denn die Aufgaben sind gewaltig. Die wichtigste Frage ist, wie der chronisch unterfinanzierte Staatshaushalt wieder in die Balance gebracht werden kann. Der bisherige und möglicherweise zukünftige Irgendwas-Minister Wolfgang Clement will das komplette Autobahnnetz an private Investoren verkaufen, die dann wohl eine wie auch immer geartete Maut für alle Nutzer erheben dürften. Darüber soll bereits in den Sondierungsgesprächen verhandelt worden sein. Und die Verkehrsminister der Länder werden in dieser Woche die Einführung einer Autobahnvignette beraten.
Beide Pläne sind allerdings abzulehnen – sowohl verkehrs- als auch finanzpolitisch. Die Autobahnvignette wäre ein Rückschritt, weil anders als bei der Lkw-Maut nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer zählen. Stattdessen wird Pauschal für ein Jahr oder einige Tage bezahlt. Das bevorzugt Vielfahrer. Und von der geplanten Senkung der Kfz- oder der Mineralölsteuer, die die Autofahrer besänftigen sollen, profitieren vor allem die Fahrer von hubraumstarken Spritfressern.
Intelligente ökologische Verkehrspolitik sieht wahrlich anders aus. Dass die Vignette dennoch gute Chancen auf Einführung hat, zeigt die prekäre Finanzlage. Offenbar ist keine Zeit zu warten, bis das Lkw-Mautsystem auch technisch in der Lage ist, Pkw-Verkehr zu erfassen. Und an eine höhere Mineralölsteuer, die zumindest gerechter und ohne großen Aufwand einzuführen wäre, wagt sich derzeit niemand.
Dabei wäre dies eine dauerhafte Einnahmequelle – anders als der von Clement ins Spiel gebrachte Verkauf des Autobahnnetzes. Der würde zwar einmalig eine große Summe bringen – aber der Verkauf von Tafelsilber kann immer nur eine Notlösung sein. Nichts gegen einzelne privat finanzierte Tunnel oder Brücken. Ab grundsätzlich gilt: Wer Autobahnen besitzt, kann damit stetig Geld einnehmen und verkehrspolitische Ziele verwirklichen. Diese Möglichkeit sollte der Staat nicht leichtfertig aus der Hand geben. STEPHAN KOSCH