PHILIPP MAUSSHARDT über TRATSCH : Teure Unterhosen aus Hammadi
Ein „Ja“ kann so vieles bedeuten, vor allem bei der Lufthansa. Was tun ohne Koffer in Ägypten?
Ein Ja ist ein Ja ist ein Ja. Sie hatte „ja“ gesagt, die Frau am Lufthansa-Schalter des Frankfurter Flughafens, auf meine Frage, ob unsere Koffer denn von Frankfurt über Kairo direkt bis nach Luxor in Oberägypten transportiert werden würden. „Ja.“ Trau, schau, wem. Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen. Deine Rede sei ja, ja, nein, nein, alles was dazwischen liegt, ist von Übel.
In Luxor aber kamen keine Koffer an, stattdessen zeigt uns der nette ägyptische Zöllner einen Raum, in dem sich verlorene Gepäckstücke aus den letzten Jahrhunderten stapelten. Es sollte uns beruhigen, bewirkte allerdings das Gegenteil. Nun gut, reisen ohne Gepäck ist nicht nur physisch bequemer, es erleichtert auch die Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung. Mir tat es nur ein wenig leid um meine Reisebegleiterin Barbara, weil Frauen bei fehlender Ersatzunterwäsche viel nervöser reagieren als Männer.
Die Einkaufsliste war schnell geschrieben: ein Hemd, eine Hose, eine Unterhose und Socken für mich; für Barbara das nämliche, plus ein Büstenhalter, auf Englisch wahrscheinlich „chestholder“. Wir fuhren also ins nächstgelegene Städtchen am Nil, Hammadi, nie gehört. Es gibt hier weder Tempel noch Pyramiden, nur staubige Straßen und einen kleinen Basar.
„Do you have underware?“
Im ersten Laden zeigten sie uns Kopftücher, im zweiten fiel die Umkleidekabine um, als Barbara gerade eine Männerhose ausprobierte, im dritten Laden stürzte der Ständer mit Gürteln auf den Boden und wir liefen lachend davon. Der vierte Laden war der richtige, obwohl im Schaufenster nur Parfümfläschchen der Marke „never die“ (sterbe nie) zu sehen waren. Mich hatte immer schon interessiert, was arabische Frauen unter ihren langen Röcken tragen. Nun stand ich vor des Rätsels Lösung. Die Verkäuferin hielt es offenbar für normal, dass ein Mann bei der Auswahl des richtigen Schlüpfers hilft.
Jedenfalls breitete sie die wenigen Modelle auf dem kleinen Tresen vor uns aus, weiße Höschen ohne Schnick und Schnack, auf die das Wort „Dessous“ so passend schien wie „Haute Cuisine“ für eine Dampfnudel. Aber immerhin war es aus purer ägyptischer Baumwolle. Und alles zum Schnäppchenpreis.
Beim „chestholder“ verzichtete Barbara auf meine Ratschläge und bat mich nach draußen. Während ich auf der Straße eine Zigarette rauchte, kicherte es hinter mir. „So was gibt es bei uns nicht mehr“, zeigte sie mir später ihre neu erstandene weibliche Schutzbewehrung aus betonhartem Gewebe. Damit hätte sie jeden Lastwagenunfall überlebt. Mir schien das Teil sogar kugelsicher. „Guter Kauf“, bestätigte ich und war zufrieden, als auch ich meine Liste abgehakt hatte. Die Wahl fiel wesentlich leichter: In Hammadi gibt es für Männer nur ein Unterhosenmodell in zwei Größen. Mit meiner Frage: „Haben Sie die auch in Schwarz?“, löste ich nur irritierte Blicke aus und bohrte also nicht länger nach, sondern bezahlte.
Die Koffer waren inzwischen in Kairo aufgetaucht. Lufthansa erklärte sich für nicht zuständig, und so verhandelten wir direkt mit dem ägyptischen Zoll die Übergabemodalitäten.
Wie oft in arabischen Ländern, entschied sich die Behörde schließlich für die einfachste Lösung: Ein Zollbeamter wurde für einen Tag vom Dienst befreit und flog (auf unsere Kosten) von Kairo mit den Koffern nach Luxor. Dort übergab er sie einem Fahrer, der sie (auf unsere Kosten) einige hundert Kilometer nilabwärts transportierte. So gesehen waren es die teuersten Unterhosen meines Lebens.
Der Beschwerdebrief an Lufthansa nach unserer Rückkehr wurde nie beantwortet. Ich hatte darin höflich angefragt, ob die Firma gedenke, sich an den entstandenen Kosten zu beteiligen. Wenigstens „ja“ hätten sie antworten können. Dann hätte ich gewusst, dass sie „nein“ meinen.
Nachtrag: Gerade klingelt das Telefon: Eine sehr nette Mitarbeiterin der Lufthansa bitte um Einsendung der Kaufbelege. Ich bin gerührt und glaube ab sofort wieder an das Gute. Leider werden Unterhosen in Hammadi grundsätzlich ohne Quittung verkauft.
Ja? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried CHARTS