PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH : Meine Ex, die Reifenstecherin
Sie lieben sich, sie trennen sich. Aber was wird aus den Verflossenen?
Das Einzige, was heute und auch noch übermorgen die Menschen in der Stadt Sienna bewegt, ist der „Torre“, der Turm. Nach 44 Jahren hat das Stadtviertel „Il Torre“ den Reiterkampf („Palio“) wieder gewinnen können, exakt 44 Jahre, nachdem ein Priester vorausgesagt hatte, dass der „Torre“ erst wieder im Jahre 2005 gewinnen wird. Damals, 1961, hatte die „Gans“ in der Endausscheidung gegen den Turm verloren, worauf 44 Gänse bei lebendigem Leib die Federn ausgerupft wurden und der Quartierspope den Fluch über den Turm ausstieß. So viel nur zum Thema Fluch und Segen. Jetzt zum Thema: Frauen und Messer.
Eine 36-jährige (?) Rumänin (?!?) hat den charismatischen Priester Roger Schutz mit drei Messerstichen getötet. Warum, wieso, aus welchem Motiv ist vorläufig nicht bekannt. Während einer Messe in Taizé sei sie aufgestanden und habe zugestochen. Lafontaine: War das nicht auch eine Frau mit Messer? Der frühere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger hatte mehr Glück: Er wurde von einer Frau nur geohrfeigt. Fluch und Segen, Frauen und Messer sind im Grunde eine thematische Einheit, die vor allem am Ende einer wie auch immer gearteten Beziehung zu einer gefährlichen Mischlage führen können. Denn viele Frauen neigen dazu, in einer für sie emotional schwierigen Situation zumindest an ein Messer zu denken. Glücklicherweise greifen nur wenige dazu. Im Fall von Roger Schutz schließe ich als Hobbypsychologe: Die Rumänin (?!?) liebte Roger Schutz dermaßen, dass sie ihn ganz für sich haben wollte. Darum brachte sie ihn um. Aus ihrer Sicht völlig logisch.
In meinem Fall traf es Gott sei dank nur die Autoreifen, die an meiner Stelle sterben mussten. Siebenmal musste ich damals zum Reifenhändler, ehe sie ihr Messer endlich stecken ließ und mich verdammten Saftsack nur noch verbal verfluchte. Ich hatte in jenen Tagen tatsächlich ein wenig Angst um mein kleines Leben. Bei der nächsten Trennung war ich dann schon vorsichtiger. Ich schenkte der verflossenen Liebe zum Abschied einen Kleinwagen und bezahlte ihr noch ein Jahr lang den Gesangsunterricht. Ob es sie wirklich positiv gestimmt hat, weiß ich nicht, denn sie spricht bis heute nicht mehr mit mir. Aber ein Messer benutzte sie jedenfalls nie.
Wenn ich die Bunte lese, fällt mir das alles immer wieder ein. Wenn Michelle Hunziker über ihre neue Liebe spricht, muss ich schon zwanghaft an das Ende denken. Wie wird sie sich trennen? Kürzlich traf ich per Zufall im Schwarzwald Ingrid van Bergen, eine feine alte Dame. Sie erzählte bei einem Glas badischem Grauburgunder, wie sie ihren Liebhaber erschoss. Erstochen wäre für diese Kolumne zwar besser gewesen, aber wie auch immer: Das gab 13 Jahre Haft.
Wie verabschiedet man sich würdig aus einer Beziehung? Es gibt jede Menge Flirt-Ratgeber. Aber die Lebenshilfe „Trennung, leicht gemacht“ fehlt noch immer auf dem Büchertisch am Eingang meiner Buchhandlung. Und auf die Einladung zu einem Scheidungsfest warte ich noch immer.
Auch wenn ich nicht viel darüber sprach: Die Messerstecherin von damals ließ mich jahrelang nicht in Ruhe. Ein paar eher hilflose Versuche meinerseits, wieder in Kontakt zu treten, misslangen, und so lebte ich mit dem Fluch, so gut es ging. Diesen Sommer, jetzt, vor ein paar Tagen, habe ich sie wieder getroffen: Wir fuhren zusammen in Urlaub. Irgendwas hatte sie milde gestimmt, und sie hatte mich angerufen. Wie der Zufall (?) spielte, fand sich noch eine weitere Verflossene am Urlaubsort ein und – schon um Missdeutungen vorzubeugen – natürlich die aktuelle Liebe. Gut, so ganz entspannt waren die Tage nicht, und das Thema „Messer“ wurde erst gar nicht angesprochen. Aber es war mal ein Anfang. Ein Anfang vom Ende. Denn wer will nicht einmal versöhnt mit allen ans Himmelstor klopfen?
Es war übrigens nicht weit weg von Sienna, wo sie, wie gesagt, das Ende eines 44-jährigen Fluchs feierten, als habe die Welt sich wieder in ihre Angeln eingehängt.
Fragen zu Frauen? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried CHARTS