piwik no script img

Archiv-Artikel

PETER UNFRIED NEUE ÖKOS Freiheit für 4 Dollar

Penelope liebt den Double Chocolate Dingsbums Frappuccino. Adorno lehnt Starbucks strikt ab. Was nun?

Der Höhepunkt von Adornos Amerikareise ereignete sich auf dem Weg von Las Vegas nach San Francisco. Wenn man den Yosemite-Park auf dem Highway 120 durchquert hat, landet man auf der Mainstreet von Groveland. An der liegt das kleine Kaffeehaus Firefall, von Mary Ann und Michele liebevoll eigentümergeführt. Und an dessen Wand steht: „Friends don’t let friends go to Starbucks.“ Ein Klassiker. Adorno las ihn zum ersten Mal. „Aha“, sagte er und fixierte Penelope triumphierend. Sie: „Was’n?“ Er: „Freunde lassen Freunde nicht zu Starbucks gehen!“ Seine große Schwester hatte sich vor der Reise entschieden, den Double Chocolate Dingsbums zu lieben, und beschäftigte sich ausschließlich mit dem Thema Frappuccino. Nun witterte Adorno seine Chance.

Ich hatte nicht mal mehr Zeit, meinen fair gehandelten Guatemala-Houseblend abzustellen, da krachte es schon. Mist. Ich brauchte auch mal Urlaub und hatte bisher jedes Wort über Starbucks, multinationale Unternehmen und ihre Ausbeutung von Mensch, Tier, Regenwald, Blues und Jazz sowie sozialen und kulturellen Strukturen vermieden. Außerdem steht Starbucks für Amerika, also für gestern. Ich sage nur: China. Vor allem aber wollte ich es mit Penelope nicht übertreiben.

Sie hatte gerade ihr freiwilliges Jahr als Vegetarierin nochmal verlängert, um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren. Aber seit anderthalb Jahren redete sie davon, wie sie mit ihren Freundinnen im Starbucks sitzen würde und wie toll das Leben dann wäre. Und jetzt machten Freunde so was nicht? Das kam ihr ganz ungelegen. Und mir auch. Sie hofft halt darauf, neue Freiheit, Reife, Modernität und Urbanität über Frappuccino-Konsum zu erleben. So what? Sie ist 12. Andere denken das noch mit 50.

Also sagte ich möglichst No-Naomi-Klein-artig, dass es eine Community brauche, die unabhängige Cafés und Buchläden unterstütze, indem sie ihr Geld dort ausgebe, nicht bei Starbucks oder Amazon. Und dass ich in unserer kalifornischen Heimatstadt weiter im Caffe Pergolesi unter einem „Friends don’t let Friends“-Schild traurig schmeckenden Hauskaffee trinken würde, sie sich bei mir da aber jederzeit 4 Dollar für einen Frappuccino abholen könne.

Adorno regte sich furchtbar auf. Über sie, der Geschmack vor Gerechtigkeit gehe. Über mich, der das auch noch finanziere. „Was sind das nur für Freunde“, rief er empört. Er hat leicht reden. Er trinkt nur Coca-Cola.

Der Autor ist taz-Chefreporter

Foto: Anja Weber