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Archiv-Artikel

PERSON DER WOCHE Neue Chefin auf Stippvisite

Karin Beier tritt im Herbst als Intendantin des Hamburger Schauspielhauses an Foto: dpa

Von PS

Es klingt wie eine Entschuldigung: „Diese Wundertüte muss ich mir anhören!“, sagt eine junge Frau, nachdem sie bis zur letzten, obersten Reihe des Schauspielhaus-Malersaals hochgestiegen ist. Der Kollege am Mischpult grinst. Sie stehen im Schatten da oben, sie beide und noch ein paar Kumpels, und ein klein wenig klingt nach Verbitterung, was sie sagen.

Die Wundertüte heißt Karin Beier. Sie ist 47, gilt als Regisseurinnen-Shooting-Star und wird im Herbst die Intendanz des Hamburger Schauspielhauses übernehmen. An diesem Morgen sitzt sie nebst Dreierbande – zwei Dramaturgen plus ein Geschäftsführer – auf der karg eingerichteten Bühne des Saals mit seinen nackten Betonwänden und lächelt ins zahlreiche Publikum. Ein bisschen Ionesco, ein bisschen Minimalismus, ein bisschen Fabrikhallen-Atmo der 1980er-Jahre schwingt mit.

Es ist sehr taktvoll, dass sie nicht den Marmorsaal des großen Hauses nebenan nutzt, wo noch das alte, seit zwei Jahren intendantenlose Team residiert. Und wenn sie sich etwas vorgenommen hat für diesen Tag, an dem sie erstmals vor Hamburgs Presse tritt, um ihren Spielplan vorzustellen, dann dies: fröhlich zu wirken und ihrem Ruf als Inkarnation der Natürlichkeit gerecht zu werden.

Und natürlich stimmt es: Beier, die derzeit das Kölner Schauspielhaus leitet, ist eine rheinische Frohnatur. Auch den Dank an ihr Team glaubt man ihr. Dass sich aber alle derart lieb haben – das ist zu viel, um wahr zu sein. Es passt auch nicht zu Beiers zweitem Gesicht: dem der fordernden, mit sich und anderen harten Regisseurin.

Diese Facette aber zeigt sie lieber durch Requisiten und Gesten: Selbstverständlich ist es Karin Beier, die im Zentrum der kleinen Artus-Runde sitzt. Und sie höchst selbst ruft die im Publikum sitzenden Dramaturgen auf, um ihre Projekte zu erklären. Dass der Kollege, der das Hamburg-Projekt erklärt, dabei derart ins Schwafeln gerät, dass die Leute mit den Füßen scharren, kann sie allerdings nicht verhindern.

Dafür kann sie mit dem Geschäftsführer scherzen, der übrigens das Abo wieder einführen wird, das Zadek einst abschaffte. Und Beier macht ironisch artig Platz für Klaus Schumacher, den Chef des Jungen Schauspielhauses. Die beste Inszenierung betrifft aber die Schauspieler, die – bis auf fünf Hamburger, die sie übernimmt – noch an anderen Häusern wirken. Deren Fotos hängt sie auf eine Art Wäscheleine, die quer über die Bühne führt. Allerdings hat die Dramaturgie hier wohl nicht aufgepasst: Die Leine hängt ein bisschen zu hoch für Beier, die kurz darüber scherzt und sich dann Bild für Bild nach der Decke streckt. Vielleicht ist der Fauxpas inszeniert, damit es menschelt, vielleicht ist es ein echtes Versehen, vielleicht Sabotage. Aber denen in da oben gefällt der kleine Lapsus der „Wundertüte“ ganz bestimmt.  PS