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PDS-Schatzmeister im Knast Gysi denkt nur noch an Rücktritt

■ PDS-Schatzmeister gesteht, daß er die 107 Millionen beiseite schaffen wollte/ PDS-Chef Gysi übernimmt die politische Verantwortung und hat seinen „Wunsch“ nach sofortigem Rücktritt erklärt

Berlin (taz) — Nicht die KPdSU, nicht ein obskurer Einzeltäter — der stellvertretende Vorsitzende der PDS und Schatzmeister, Wolfgang Pohl, steckt hinter der Millionentransaktion, die seit einer Woche mit immer verwirrenderen Details zum öffentlichen Krimi geworden ist. Gestern abend nahm die Berliner Polizei den Schatzmeister der PDS und den Chef der Finanzabteilung, Langnitschke, fest.

Nachdem PDS-Chef Gysi am Donnerstag in Moskau erfuhr, daß die KPdSU nichts mit irgendeinem Putnik-Konto zu tun hat, stellte er seinen Schatzmeister zur Rede. Durch „bohrende Fragen“, wie Gysi berichtete, in die Enge getrieben gestand der zweite Mann der PDS, er selbst habe die 107 Millionen für die Partei retten wollen und Überweisungen für die KPdSU vorgetäuscht, um den Deal zu vertuschen. Sein politisches Motiv sei eine befürchtete Illegalität der PDS gewesen. Offenbar hat der PDS-Schatzmeister seinem Mittelsmann, dem Hallenser PDS-Mann Kaufmann, vertraut. Auch gestern zweifelte Pohl daran, daß Kaufmann versucht haben soll, in Oslo 70 Millionen in bar abzuheben. Kaufmann selbst hält sich in Moskau auf. Das ZK der KPdSU hat derweil auch offiziell mitgeteilt, daß es mit Putnik nichts zu tun hat.

Gestern früh hatte Gysi die Staatsanwaltschaft informiert, später dann das Präsidium der PDS, vor dem er seinen „Wunsch“ nach sofortigen Rücktritt äußerte. Auf dringende Bitte des Präsidiums hat er diese Entscheidung allerdings auf die heutige Parteivorstandssitzung verschoben. Gysi kündigte gleichzeitig an, in der Frage des übernommenen SED-Einkommens müsse ein „genereller Schnitt“ vorgenommen werden. SEITE 3

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