piwik no script img

Osman Engin Die CoronachronikenCovid-19, der Verräter

Foto: privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Gestern habe ich mich beim Gesundheitsamt testen lassen, ob ich Corona habe – und wenn ja: wie viel? Jetzt sterbe ich natürlich vor Neugier wegen diesem Coronatest! Hoffentlich sterbe ich nicht als Zugabe auch noch an Corona selber.

In wenigen Sekunden werde ich am Telefon das mit großer Spannung erwartete Ergebnis erfahren, weswegen ich die ganze Nacht kein Auge zumachen konnte. Ich befürchte, falls es in meinen Laborergebnissen „keine Hoffnung mehr auf Heilung“ stehen sollte, dass sie mir diese schreckliche Wahrheit verschweigen würden, um mich vor einem möglichen Herzinfarkt zu bewahren.

Bei meinem momentanen Gesundheitszustand ist die Bestätigung des Gesundheitsamtes eigentlich gar nicht mehr nötig, um zu sehen, dass ich bereits mit einem Bein im Grab liege – wenn nicht sogar mit eineinhalb. Ich habe Kopfschmerzen, ich habe Herzrasen, ich zittere am ganzen Körper, nur um drei der harmloseren Krankheitsbilder zu nennen.

Kaum nehme ich den Hörer in die Hand, zieht meine Frau Eminanim – die zweitgrößte Nervensäge des Mittleren Orients – eiligst den Stecker aus der Wand.

„Eminanim, was soll denn das? Du weißt doch, es geht um Leben und Tod! Um Sein oder Nichtsein!“

„Nun übertreib’mal nicht wieder. So schlimm wird’s nicht werden.“

„Du hast leicht reden. Für dich geht’s ja nur um Sein oder Witwesein.“

„Osman, ich kenne dich doch. Selbst wenn sie dir gleich am Telefon sagen, dass du gar nichts hast, wirst du trotzdem tagelang wie ein Häufchen Elend rumjammern, dass sie dir gegenüber die schreckliche Wahrheit verschwiegen hätten, um dich vor einem Herzinfarkt inklusive Schlaganfall zu bewahren.“

„Eminanim, sieh mich doch nur an! Durch diese viel tödlichere Corona-Mutante in mir bin ich zu einem erbärmlichen Todeskandidaten mutiert!“

„Nein, du bist nur zu einem erbärmlichen Hypochonder mutiert – und das seit deiner Geburt.“

„Nett von dir, mich in meiner letzten Stunde trösten zu wollen. Aber es hat keinen Sinn mehr. Leb wohl, Eminanim. Bewahre mich in guter Erinnerung in deinem Herzen – Adieu! Und lass mich jetzt bitte telefonieren.“

„Nein, Osman. Das Gesundheitsamt darf dich nicht anrufen. Sonst ist unsere Reise in Gefahr.“

„Eminanim, die Ärzte wissen doch, dass ich auf dem direkten Wege ins Jenseits bin.“

„Ich meine doch unsere Reise in die Türkei, du Dummchen.“

„Was denn? Die ganze Türkei weiß es schon?!“

„Falls du jetzt telefonierst und Corona hast – ja! Alle Türken im Ausland werden doch abgehört.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen