Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Seit den 60er-Jahren dreht der amerikanische Regisseur Frederick Wiseman Dokumentatarfilme, in denen er die Interaktion zwischen gesellschaftlichen Institutionen und Bürgern hinterfragt. Da geht es um Arbeitslose und die Wohlfahrtsbehörde, um „geisteskranke Kriminelle“ und ihre Verwahranstalt oder um Schüler und ihre Erziehungsanstalt. Wiseman filmt ohne vorherige Recherche. Die Kamera bleibt in der Rolle eines unbeteiligten Beobachters, und auch einen Kommentar besitzen die Filme nicht. Seine Bedeutung erhält das Material erst bei der Montage. In „Meat“ (1976) folgt Wiseman in allen Einzelheiten dem Weg des Fleisches in einem Schlachthof – vom lebenden Tier bis zum fertig verpackten Schnitzel. Gezeigt wird der streng arbeitsteilig gestaltete Ablauf des Schlachtens und Zerlegens: Kaum jemand macht hier mehr als zwei oder drei Handgriffe. Zwischendurch zeigt Wiseman Sitzungen von Managern, die fast nur über Zahlen reden, und führt erst ganz am Ende die beiden Sphären zusammen: Das Management setzt Umstrukturierungen und Rationalisierungen zu Lasten der Arbeitnehmer durch. Die Werkschau mit Filmen von Frederick Wiseman zeigt das Arsenal-Kino noch bis Ende März.In den 70er-Jahren befand sich der Zeichentrickfilm in einer Krise. Und Zeichentrick, das bedeutete seinerzeit in erster Linie Disney. Die letzten Veteranen der glorreichen Vergangenheit des Mäuse-Imperiums waren in Pension gegangen, und die zeichnerischen Standards sanken ständig. So kam es 1979 zur Rebellion: Don Bluth und Gary Goldman, die führenden Köpfe einer neuen Generation von Animations-Zeichnern, forderten die Rückkehr zu alten Disney-Werten und verließen das Studio, um in eigener Regie die „besseren Disney-Filme“ zu drehen. Die Karriere der „Rebellen“ verlief seither wechselhaft: Künstlerisch besaßen ihre Filme oft genug Disney-Qualitäten – manchmal stand dem kommerziellen Erfolg allerdings eine Tendenz der Regisseure zu düsteren Geschichten mit gebrochenen Charakteren im Wege. Auf „Däumeline“ (sehr frei nach Andersens Märchen) trifft genau dies jedoch nicht zu: Die Story des nur daumengroßen Mädchens, das im Wald allerlei Abenteuer – unter anderem mit einem liebestollen Frosch – zu bestehen hat, ehe es den Feenprinz ehelichen kann, richtet sich vor allem an kleine Kinder, die sich von bonbonfarbenen Bildern und viel Musik bezaubern lassen.Ob man Alfred Hitchcocks Mutter gern einmal kennen gelernt hätte? Da kommen einem doch leise Zweifel, denn wie kein anderer Regisseur präsentierte der Maestro tyrannische Mütter auf der Leinwand. In „North by Northwest“ handelt es sich allerdings um ein eher komisch-patentes Exemplar (Jesse Royce Landis), das gleichwohl den Sohn, einen Werbefachmann names Roger Thornhill (Cary Grant) nur allzu gern gängelt: Von der vertrackten Agentengeschichte, in die er sich plötzlich verwickelt sieht, glaubt sie ihm natürlich kein Wort und kontrolliert lieber seinen Atem auf übermäßigen Martinigenuss. LARS PENNING