: Ob Kräuter oder Pillen: Patienten haben nix zu melden
■ Private und gesetzliche Krankenversicherungen entscheiden oft nach Gutdünken, ob sie Naturheilkundeverfahren bezahlen
bezahlen
Versicherungen versprechen viel und zahlen wenig. Dieses Vorurteil zu entkräften, daran haben offenbar viele Krankenkassen kein Interesse. Denn was die Abrechnung von naturheilkundlichen Behandlungen betrifft, kommt es für die PatientInnen immer wieder zu bösen Überraschungen.
Gerhard Portele, Professor an der Universität Hamburg, hat schon mehrmals Naturheilkundeverfahren bei seiner privaten Versicherung abgerechnet. Als er sich vor einigen Monaten für eine Therapie anmeldete, hielt er es für selbstverständlich, daß die Kasse auch hier die Kosten übernehmen würde. „Ich war völlig überrascht“,
1so Portele, „als dann die Ablehnung kam.“
Vorsicht ist geboten, denn in Sachen Naturheilkunde hat jede Versicherung ihre eigene Abrechnungspraxis. Doch damit nicht genug: Einige schwarze Schafe unter den privaten Kassen gehen sogar mit mißverständlichen Angaben auf Kundenfang.
„In farbigen Prospekten wird große Zahlungsbereitschaft angekündigt“, berichtet Andreas Wietholz von der Versicherungsvermittlung „Securvita“, „die volle Wahrheit steht erst im Kleingedruckten.“ Dort heißt es nämlich in Paragraph 5 der „allgemeinen Versicherungsbedingungen“: „Keine Lei-
1stungspflicht besteht für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.“
Ein Gummiparagraph, der von den Versicherungen flexibel gehandhabt wird. Welche Verfahren tatsächlich „allgemein anerkannt“ sind oder nicht, können die PatientInnen kaum beurteilen, zumal die Palette der Naturheilverfahren ständig breiter wird. Sie reicht von Akupunktur über Yoga bis hin zu ausgefalleneren Methoden wie Eigenblutinjektion.
Wo die Schulmedizin mit ihrem Latein am Ende ist, vertrauen immer mehr Menschen auf ihren Heilpraktiker. Über 7300 gibt es be-
1reits in Deutschland, auch viele Ärzte ziehen sie zu Rate.
Die gesetzlichen Krankenkassen aber lehnen eine Bezahlung grundsätzlich ab. Nur wenn die herkömmliche Medizin versagt und ein Arzt den Gang zum Heilpraktiker verschreibt, sind sie zu Ausnahmen bereit.
„So wird die Abrechnung zur Kulanzsache der Gesetzlichen“, beklagt Andreas Wietholz.
Viele Anhänger der Naturmedizin wechseln daher zu privaten Versicherungsunternehmen. „Securvita“ nennt folgende Kassen, die naturheilkundliche Behandlung weitgehend bezahlen: Union, Kontinentale, Mannheimer und Hanse- Merkur.
Auf jeden Fall aber sollten PatientInnen die Behandlung so früh wie möglich mit ihrer Versicherung absprechen. Denn allzu oft heißt es sonst später, ein Naturheil-Verfahren sei aus medizinischer Sicht nicht zu rechtfertigen.
Alles in allem halten sich die Krankenversicherer auf dem Gebiet der Naturmedizin noch sehr bedeckt. „Es gibt eine Reihe unkonventioneller Behandlungsmethoden“, so „Securvita“-Vertreter Wietholz, „aber die Versicherungsmethoden sind konventionell geblieben.“ Uli Mendgen
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