OTTO SCHILY WAREN SEINE V-LEUTE WICHTIGER ALS DAS NPD-VERFAHREN : Am Vergessen gescheitert
Ein Hinweis von nur drei Worten – eine politische Katastrophe. „Verkündung einer Entscheidung“ stand über der jüngsten Ladung des Bundesverfassungsgerichts an die Prozessbeteiligten im NPD-Verfahren. Diese Entscheidung wird nur lauten können: Einstellung des Verbotsverfahrens.
Der Misserfolg hat einen Namen. Otto Schily, der Bundesinnenminister, hat sich leichtfüßig über alle Warnungen hinweggesetzt, der Einsatz von Verfassungsschutzagenten auf allen Führungsebenen der NPD könne das Verfahren ruinieren. Vor allem, wenn er auch nach Prozessbeginn andauere. Stets war ihm die Verdeckung seiner Leute wichtiger als ein offenes Spiel mit „verbrannten“ Zeugen. Er hat nie akzeptiert, dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens über der Funktionsfähigkeit der Dienste stehen müsse.
Es wurde dem Innenminister zum Verhängnis, dass er mit seinen linken Überzeugungen auch gleich seine lebenslangen Erfahrungen als Strafverteidiger über Bord geworfen hat. Hatte er nicht im Stammheim-Prozess eine weitere Anwesenheit im Gerichtssaal abgelehnt, nachdem ruchbar geworden war, dass Gespräche zwischen ihm und seiner Mandantin abgehört worden waren? Hätte die Erinnerung an diesen eklatanten Rechtsbruch ihm nicht präsent sein müssen, als es um die Prüfung der Frage ging, ob vielleicht nicht doch Agenten des Länder-Verfassungsschutzes bei der NPD auch heute noch ihres Amtes walten? Genau dies ist offensichtlich der Fall, und es war ausgerechnet Schilys einstiger Weggenosse Horst Mahler, der stichhaltig argumentierte, unter solchen Voraussetzungen sei ein faires Verfahren unmöglich.
Erinnert sich noch jemand an das Fragenbombardement, mit dem Schily zu Zeiten der Studentenbewegung den Berliner Verfassungschutz in Sachen des Provokateurs Urbach traktierte? Als Linker hat Schily leidenschaftlich, aber stets strikt rechtsstaatlich argumentiert. Beim rot-grünen Innenminister ist von der Leidenschaft nur autoritäres Gehabe gegenüber der Öffentlickeit übrig geblieben. Und von rechtsstaatlichen Überzeugungen nur ein obrigkeitsstaatlich eingefärbter Sicherheitsdiskurs. Auf beides könnte leichten Herzens verzichtet werden. CHRISTIAN SEMLER