ORTSTERMIN : Wohlfühlen mit Werten
BEKENNEN Der „Zeit“-Chef und Deutschlands bekanntester Kolumnist erzählen, was ihre Welt im Innersten zusammenhält
Auf den T-Shirts, die im Foyer verkauft werden, steht „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. Das Berliner Ensemble ist ein Haus mit klaren Werten, eine moralische Anstalt nach dem Ideal des Hausheiligen Bertolt Brecht, bewahrt von Intendant Claus Peymann – und nicht mehr so richtig state of the art, wie auch T-Shirt-Sprüche.
Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo, befreundet seit ihrer Zeit bei der SZ, sind eine Generation jünger als Peymann und tun sich schwer mit Parolen. „Bekennermut“ sei nicht gerade die Stärke ihrer Generation, der heute um die 50-Jährigen, schreiben sie im Vorwort zu „Wofür stehst du?“, ihrem etwas eitlen, aber in seiner Ambivalenz zeitgemäßen Buch. „Wir haben gemerkt: Keine einzige Frage macht uns so verlegen wie diese“, sagt di Lorenzo bei der gemeinsamen Lesung am Mittwoch im Berliner Ensemble.
Der Untertitel sei ihm besonders wichtig, ergänzt Hacke, „Was in unserem Leben wichtig ist – eine Suche“: „Es wäre feige gewesen, auf eine allgemeine Ebene zu gehen.“
Bei den ineinander verschränkten, im Wechsel vorgelesenen Geschichten kann dann allerdings keine Rede davon sein, dass „wir in diesem Buch nicht immer gut wegkommen“, wie di Lorenzo anmerkt. Selbst dass er seiner alten Freundin Birgit vor Jahren den folgenschweren Rat gab, ihr Kind abzutreiben, löst beim Publikum nur ein „Irren ist menschlich“-Achselzucken aus – zumal di Lorenzo reuig ist.
Vielleicht können Wertediskussionen ja nur von Leuten angestoßen werden, die tatsächlich kein Problem damit haben, sich unbeliebt zu machen.
Später signieren di Lorenzo und Hacke noch, wobei sie sich ständig bedanken, Letzterer auch seine Kolumnenbücher. Ein Weißhaariger legt die Hand auf Hackes: „Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Worte gehört werden.“ Dann hilft seine Frau ihm in die beigebraune Jacke. DENK