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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: DAS DORF STEINBACH WIRD AUF DEN PAPSTBESUCH EINGESTIMMT Ausnahmezustand im Eichsfeld

Wo bis vor ein paar Wochen Kühe weideten, werden Wege asphaltiert für Rettungsfahrzeuge und das Papamobil

Zu erreichen ist Steinbach nur über eine schmale Landstraße. Neben dem Ortsschild grüßt ein riesiges Plakat den Papst, obwohl der noch gar nicht da ist – „Herzlich willkommen, Heiliger Vater!“. Am 23. September hält Benedikt XVI. an der nahen Wallfahrtskappelle Etzelsbach einen Gottesdienst ab, bis zu 100.000 Pilger werden erwartet. Im Eichsfeld herrscht dann Ausnahmezustand. Auch in Steinbach.

250 der knapp 550 Einwohner haben sich am Abend im Dorfgemeinschaftshaus versammelt, um zu hören, was da auf sie zukommt. Der Ort „fiebert dem Ereignis entgegen“, sagt Bürgermeister Mauritius Hünermund (CDU). Peter Kittel, Chef-Koordinator der Papst-Visite, spricht von einem „Heimspiel für den Heiligen Vater. Hier fällt seine Botschaft auf den Humus, den sie verdient.“ Mehr als 80 Prozent der Eichsfelder sind Katholiken, fast 300 Kirchen und Kapellen gibt es in der Region.

Dann redet Kittel Klartext: Für 32 Stunden werden Straßen und eine Autobahn gesperrt. Die Einwohner mehrerer Orte können ihre Wohnungen nur zu Fuß und auf vorgeschriebenen Wegen verlassen oder erreichen, Ausnahmegenehmigungen gibt es nur in Notfällen: „Ein nicht abgegebener Lottoschein zählt nicht dazu.“

Einschränkungen gibt es schon jetzt. Mit Lastwagen und schweren Gerät rollen Bauteile für Bühne und andere Infrastruktur durch Steinbach. Mehr als 2.500 Toilettenhäuschen werden in den nächsten Tagen angeliefert.

Auf dem zwei Kilometer entfernten, knapp 20 Hektar großen Pilgerfeld in Etzelsbach sind die Vorbereitungen deutlich sichtbar: Wo bis vor ein paar Wochen Kühe weideten, wühlen jetzt die Baufahrzeuge, werden Wege asphaltiert für Rettungsfahrzeuge und das Papamobil.

Neben der Kapelle entsteht ein Hubschrauberlandeplatz. Dort sollen der Papst, die Kanzlerin, der Bundespräsident und andere Ehrengäste landen. Insgesamt kommen rund ein Dutzend Helikopter, denn die Fluggäste gelten als so wichtig, dass sie nicht gemeinsam fliegen dürfen. Aus Sicherheitsgründen.

Am 23. September sollen Shuttle-Züge die Pilger schon ab vier Uhr morgens im Viertelstundentakt zu den nächstgelegenen Bahnhöfen in Bodenrode und Wingerode bringen. Schwieriger, sagt Kittel, sei die Organisation des Abmarsches: Um ihn zu entzerren, gibt es auf dem Pilgerfeld bis um 22 Uhr ein Kulturprogramm – unter anderem mit Musik von Paddy Kelly. Ja, dem von der Kelly-Family.

Die meisten der Steinbacher im Dorfgemeinschaftshaus wollen sich das Ereignis nicht entgehen lassen. Ob sie eine Angehörige im Rollstuhl zum Pilgerfeld schieben dürfe, will eine Frau wissen. „Aber ja“, sagt Kittel. „Sie müssen die Oma dann aber auch wirklich den ganzen Weg schieben und können sie nicht auf halber Strecke als Landmarke zurücklassen.“ Einer fragt, ob es Vorgaben für mitgebrachte Klappstühle gibt. „Von meinen Leuten hat keiner einen Zollstock dabei“, antwortet Kittel. Liegen, Fahrräder, Glasflaschen und Feuerwerkskörper seien auf dem Pilgerfeld aber verboten, ebenso wie Tiere – von Blindenhunden abgesehen. Jemand erkundigt sich, ob es Sonderurlaub gebe, wenn der Papst kommt. Eher nicht, sagt Kittel. Sein Tipp für Arbeitnehmer: Plötzliche Krankheit – mit anschließender Spontanheilung.

Die von überall her anreisenden Pilger, verspricht Kittel, würden sich gut benehmen: „Das sind keine Hooligans oder randalierende Fußballfans.“ REIMAR PAUL