ORANIENBURGER STRASSE : Engel, Teufel, Schnaps
Ein Schwarm beschwipster Frauen aus Europas hohem Norden schwirrt in Mitte herum. Eine der Frauen ist in ein kleines Weißes gehüllt. Engelsflügel wippen dazu an ihren Schultern. Sie ist der Star des Abends, während dieses Cruisens à la Hollywood. Die Sternchen haben zur Feier des Tages was knappes Schwarzes angezogen. Ob das nun gut aussieht oder auch nicht. Sie tragen alle Hörner im Haar. Der Engel und die Teufelsfrauen sind aufgekratzt. Der Engel schwankt ein wenig auf hohen Hacken.
Am Bürgersteig wartet eine weiße amerikanische Stretchlimousine: das Event des Abends. Vor einem Restaurant sind Männer am Tafeln. Die Männer und die Frauen taxieren einander. Flotte Sätze fliegen bald in hohen Bögen hin und her wie beim Pingpong. Der Chauffeur hält Türen auf. Bis der Schwarm Teufelsfrauen vollständig im Megamobil untergebracht und schließlich auch der Engel zugestiegen ist, dauert es. Denn die Gattin in spe will unbedingt das letzte Wort im Austausch mit den Männern. Schließlich rauscht die Limousine davon, wendet und rollt noch einmal in voller Glorie über die Bühne der Oranienburger Straße. Star und Sternchen könnten inkognito durch Berlin reisen, aber die Blondinen haben längst die Fensterscheiben heruntergekurbelt. Sie winken. Sie kreischen.
Nachdem die Stretchlimousine vorbei ist, rollt ein amerikanischer „Schoolbus“ heran. Ein wenig aus der Hand gelaufen scheint auch hier das Fest im Inneren: Es sieht eher wie ein Tumult aus. Auch aus diesem Gefährt kreischt es.
Die Ruhepole auf der großen Bühne sind die Huren. Unaufgeregt schlendern sie, unisono auf schenkelhohen Lackstiefeln unterwegs. Eine Prostituierte, die sich eine erstaunliche Wespentaille geschnürt hat, löst einen Mann aus einem Pulk. Als sie mit ihm verschwindet, bleiben seine Begleiter perplex zurück.
GUNDA SCHWANTJE