OHNE SONNENBRILLE : Zu laut
Wir waren viele und redeten wenig, während wir aus der Stadt rausfuhren. Eben hatte es noch Kaffee mit Ziegenmilch gegeben, nun kam es einem komisch vor, dass man sich am Nichtrauchgebot im Auto nicht störte. Der Spaziergang war schön.
Später saßen wir am Wasser in einem Restaurant. Die Ostertorte, die wir dann doch nicht bestellten, war grün. B. trug einen schwarzen Pullover. In dem Pullover waren ein paar Löcher, die irgendwie stylish genäht waren mit einem dicken königsblauen Faden. „Hat bestimmt 300 Euro gekostet, oder?“ – „Ja, ungefähr.“ Er erläuterte die großartigen Details seines Pullovers, der in echt aber weniger gekostet hatte. Damals, bevor die Motten dann gekommen waren.
Auf dem Tisch, gleich neben der Lammhaxe, lag eine Frauensonnenbrille. „Kann ich die mal aufsetzen?“ – „Klar!“ So gut wie durch diese Sonnenbrille hatte die Welt lange nicht mehr ausgesehen. „Die ist von Ray Ban und hat 350 € gekostet“, sagte M. Ich glaubte ihr. Mit der Sonnenbrille sah der Sonnenuntergang noch besser aus. Zum Abschied gab’s Jägermeister.
Als ich die Brille wieder abnahm, sah alles deprimierend aus. Dann fuhren wir heim. Kurz vor Berlin bestand H. darauf, an der Raststätte zu halten. Wegen Durst. In der Raststätte gab es vier Spielautomaten, an denen vom Leben gezeichnete Männer saßen. Ich ging in die Toilettenkabine, H. kam hinter mir her und redete laut zu mir hin. Wie trostlos und fertig doch das Leben der Automatensüchtigen wäre! Wie grauenhaft, dass es solche Automaten selbst in Raststätten gebe! Ganz besonders schlimm, dass kleine Jungs dabeisitzen müssten, während ihr Vater spiele! In dem Moment, als er den Satz sagte, muss der kleine Junge in den Toilettenraum gekommen sein. Als ich die Toilettenkabine verließ, stand er jedenfalls neben H., der immer noch weiterredete, vor den Becken. DETLEF KUHLBRODT