OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
1981 unternahm ich mit einem Schulfreund eine Ferienreise nach London, mit der Englandfähre von Bremerhaven via Harwich. Unsere erste Handlung an Bord bestand im Kauf einer Flasche Whisky im Duty Free Shop. Für abendliche Unterhaltung sollte dann das Bordkino sorgen, dort spielte man Stanley Kubricks Horrorfilm „The Shining“. Und ehrlich gesagt, konnten wir den Whisky hinterher ganz gut gebrauchen, denn auf den Schreck mussten wir erst einmal einen großen Schluck aus der Pulle nehmen. Die albtraumhaften Verfolgungsjagden im Heckenlabyrinth und den ebenfalls labyrinthartigen Hotelfluren hatten uns ganz schön gepackt. Dabei hatte der Perfektionist Kubrick den plakativen Horror der Romanvorlage von Stephen King noch zugunsten eines viel subtileren Psychoschreckens entsorgt, um den seelischen Verfall des für einen Winter in einem abgelegenen Hotel engagierten Hausmeisters Jack (Jack Nicholson) zu illustrieren, der anfängt, seine Frau und seinen kleinen Sohn zu terrorisieren. Der Film variiert einmal mehr Kubricks Dauerthema: die Rationalität und den Verlust derselben. Dies lässt sich auch bereits in Kubricks „big caper“-Film „The Killing“ (1956) erkennen, wenn sich der Gangster Johnny Clay (Sterling Hayden), der die Tageseinnahmen einer Rennbahn rauben möchte, allzu sehr auf seinen minutiös durchorganisierten Plan verlässt, dabei jedoch die emotionalen Schwächen seiner Kumpane übersieht, die das Unternehmen letztlich scheitern lassen. In „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1964) geht der Verstand bekanntlich völlig zum Teufel: Kalte Krieger, paranoide Militärs und faschistische Präsidentenberater streiten um die Vernichtung der Welt. Eine Kubrick-Retrospektive ist im Babylon Mitte zu sehen.
Längst ist „Menschen am Sonntag“ (1929), den Robert Siodmak und Edgar Ulmer 1929 mit Laiendarstellern in Berlin inszenierten, als Klassiker der deutschen Filmgeschichte anerkannt. Während die Ufa seinerzeit das Geschäft mit ihren ausgetüftelten Studioproduktionen beherrschte, sorgten die jungen Kinoenthusiasten mit ihrer aus Kostengründen vornehmlich an Außenschauplätzen gedrehten Mischung aus Dokumentarszenen und einer um einen sonntäglichen Ausflug an den Wannsee und den sich daraus ergebenden Liebes- und Eifersüchteleien kreisenden Spielhandlung für Aufsehen. Das Drehbuch schrieb Billy Wilder, dessen Sinn für Ironie der Geschichte einen zartbitteren Unterton verleiht.
Eine vergnügliche Parodie auf Filme, die sich die Flucht aus einem Kriegsgefangenenlager zum Thema nehmen, schufen die Animationsfilmer des britischen Aardman-Studios mit ihrem ersten Knetanimationsfilm „Chicken Run“ (R.: Peter Lord/Nick Park, 2000). Nur, dass die Gefangenen hier die Henne Ginger und ihre Leidensgenossinnen sind, die auf einer schwer bewachten Hühnerfarm darben und sich die Rettung vor der Hühnerpasteten-Maschine des fiesen Farmerehepaars vom aufschneiderischen Hahn Rocky versprechen, der dem etwas kopflosen Haufen das Fliegen beibringen soll. LARS PENNING
„The Shining“ (OF) 2. 5.; „The Killing“ (OmU) 4. 5.; „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (OmU) 5. 5. im Babylon Mitte
„Menschen am Sonntag“ 6. 5. im Babylon Mitte
„Chicken Run“ 3. 5.–4. 5. im Arsenal 1