OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Henry Fonda war stets das liberale Gewissen des amerikanischen Kinos. Prinzipientreu und aufrecht ging er durch sein Leben wie auch durch die meisten seiner Filme. Da kam ihm seine Rolle in Sidney Lumets Gerichtsfilm „Die zwölf Geschworenen“ zweifellos sehr entgegen: Als einer der zwölf Geschworenen in einem Mordprozess findet er die Fehler in der Beweisführung der Staatsanwaltschaft und kann die ursprünglich von der Schuld des Angeklagten ausgehenden anderen Geschworenen in langen Diskussionen vom Gegenteil überzeugen. Dabei geht es Lumet letztlich weniger um die Auflösung des Kriminalfalls als vielmehr um das exemplarische Vorführen funktionierender Demokratie in den USA: Die Geschworenen stammen zwar aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und Milieus und haben alle ein ganz unterschiedliches Bildungsniveau, doch am Ende fällen sie trotz all ihrer natürlich vorhandenen Vorurteile den richtigen Urteilsspruch. Fragt sich nur, was in jenen Verhandlungen passiert, in denen der beharrliche Henry Fonda nicht dabei ist …
Bereits seit Jahrzehnten schwelt der Konflikt zwischen der türkischen Zentralregierung in Ankara und der kurdischen Bevölkerung im Osten der Türkei; immer wieder erreichen uns die Nachrichten von Zusammenstößen zwischen dem türkischen Militär und der nunmehr aus dem Nordirak heraus operierenden Kurdenguerilla PKK. Doch wo liegen eigentlich die Wurzeln dieses Konflikts? Dieser Frage geht der in Deutschland lebende kurdische Filmemacher Yüksel Yavuz („Kleine Fluchten“) in seiner Dokumentation „Close up Kurdistan“ nach: Ausgehend von seinen Erinnerungen an die Schulzeit in einem türkischen Internat, in dem das Sprechen der kurdischen Sprache strikt verboten war, verdeutlicht er die Politik des nationalistischen kemalistischen Staates, grundsätzlich alle auf türkischem Staatsgebiet lebenden ethnischen Gruppen als Türken zu betrachten und Minderheiten das Recht auf ihre eigene Kultur und Sprache nicht nur zu verwehren, sondern rundweg zu bestreiten, dass es etwas derartiges überhaupt gibt. In Gesprächen mit verfolgten Intellektuellen, vertriebenen Dorfbewohnern und ehemaligen Guerillakämpfern, mit einem Exgeheimpolizisten und einem vormaligen türkischen Wehrpflichtigen rollt Yavuz die Folgen dieser Politik auf: Willkür, Folter und Vertreibung von Seiten des türkischen Staats, Widerstand und Terror als Reaktion der Kurden. Letztlich ergibt sich das Bild eines Landes, in dem man allein aufgrund seiner Herkunft in die Mechaniken von Krieg und Vertreibung hineingezogen werden kann.
Experimentelles aus dem Studio von Andy Warhol: „The Velvet Underground and Nico“ präsentiert die Musiker um Lou Reed und John Cale bei einer ziemlich krachigen einstündigen Improvisation, derweil Warhol an der Kamera vollkommen entfesselt herumzoomt und schwenkt. Damit setzt er einen Kontrapunkt zu seinen in den frühen 1960er-Jahren mit starren Einstellungen gedrehten Stummfilmen, in denen im Vergleich ja herzlich wenig passiert. LARS PENNING
„Die zwölf Geschworenen“ 24./25/28. 5. im Lichtblick-Kino
„Close up Kurdistan“ (OmU) 26. 5. im Babylon Mitte
„The Velvet Underground and Nico“ (OF) 25. 5. im Brotfabrik-Kino