OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
So richtig sympathisch erscheint Toni der Sanfte (Jean Servais) eigentlich nicht. Gerade aus dem Zuchthaus entlassen, prügelt er seine Exfreundin, die ihn vor fünf Jahren hatte sitzen lassen, erst einmal mit dem Ledergürtel durch. Dass man in Jules Dassins „Rififi“ (1954) trotzdem mit Toni und seinen schrägen Kumpanen mitzittert, die einen Einbruch in ein Juweliergeschäft planen, liegt an der sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung ihres Coups: Leuten, die ihren Job gut machen, sieht man einfach immer gern zu, und die rund zwanzigminütige wort- und musiklose Sequenz des Einbruchs gilt zu Recht als Klassiker. Doch so penibel der Ablauf auch gestaltet ist – Leichtsinn und Charakterfehler verhindern letztlich, dass sich die Herren ihrer Beute auch erfreuen können. Das Finale mit Bandenkrieg, Rachefeldzug und vielen Pistolen erinnert dann fast schon an die stilisierten Gangsterballaden eines Jean-Pierre Melville.„Wer schießen will, der soll schießen und nicht quatschen.“ Eigentlich müsste das in einem Italo-Western eine Selbstverständlichkeit sein, doch der einarmige Typ, der den schlitzohrigen Banditen Tuco in der Badewanne überrascht und ihm lang und breit erklärt, warum er sich an ihm rächen wolle, hat diesen – lebensrettenden – Grundsatz nicht begriffen. Weshalb er leider ins Gras beißen muss, denn Tuco badet niemals ohne. Ohne Revolver natürlich. Reichlich zynisch geht es zu in Sergio Leones drittem Teil seiner legendären Dollar-Trilogie, in dem sich drei Halunken (Clint Eastwood, Lee Van Cleef, Eli Wallach) auf die Suche nach einer Regimentskasse machen. Die Konstellationen wechseln dabei je nach Interessenlage, doch die Rollen sind klar verteilt: „The Good, the Bad and the Ugly“. Die Beziehung zwischen dem „Blonden“ und Tuco ist fröhlich sadistisch, und Einfälle wie das Duell zu dritt (ein „Triell“?) mit der ins Endlose verzögerten Spannung sind schlicht grandios: „Zwei glorreiche Halunken“ ist das Chef d’OEuvre des Italo-Western.„Une femme marriée“ (1964) ist ein wenig bekannter Essayfilm von Jean-Luc Godard. Als Collage aus Bild, Musik und Schrifttafeln sowie literarischen und filmischen Zitaten erzählt der Film von einer jungen Frau zwischen zwei Männern. Charlotte (Macha Méril) verharrt dabei völlig an der Oberfläche ihres Seins. Sie interessiert sich weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft. Das Hier und Jetzt gestaltet Godard wie einen großen Werbespot: Riesige Plakatwände, Zeitschriften voller Anzeigen für Dessous. Wenn sich die Protagonisten über ihre Wohnung oder ihren Fernsehapparat unterhalten, scheinen die Dialoge direkt der Werbesprache entsprungen zu sein. Charlotte begeistert sich zwar für den „goldenen Schnitt der Büste“, als ihr jedoch jemand etwas über Auschwitz erzählen will, hört sie nicht zu. Zwischen ihrem Ehemann und ihrem Liebhaber macht Charlotte keinen Unterschied (und der Film auch nicht: Die verschiedenen „Bettszenen“ sind formal sehr ähnlich gestaltet), sie flunkert fröhlich und ohne zu zögern: Alles ist Lüge.
LARS PENNING